Hitzköpfe im Kühlschrank

«Übrigens» in den «Freiburger Nachrichten» vom 5. Januar 2023

Nichts als Hitzköpfe in meinem Kühlschrank. Neulich öffne ich den Kühlschrank und was sehe ich? Die Olma-Bratwurst macht den Schinken zur Sau, bloss weil der sich nicht zu schade ist, mit dem Senf ins Brötchen zu steigen. Dabei ist dieser eingebildete Schüblig doch einfach frustriert, weil er selbst nie was Scharfes abkriegt, das verklemmte Würstchen.

Der Cervelat hält sich für was Besseres, dabei ist er höchstens ein C-Promi. Ungefragt gibt er überall seinen Senf dazu. Am liebsten philosophiert dieser Richard David Precht der Charcuterie darüber, dass alles ein Ende habe, nur die Wurst deren zwei, und fühlt sich dabei so wichtig, dass ihm fast die Pelle platzt. Von wegen Darm mit Charme.

Das Naturjoghurt hingegen ist eine Dramaqueen mit null Selbstvertrauen. Will sich immer gleich ins Verderben stürzen, bloss weil es das Verfallsdatum überschritten hat. Natürlich hilft es seinem Ego nicht, dass es vom Schoggipudding mit Sahnehäubchen als Magerquark geschmäht wird. Gar nicht gentil, das Chantilly. Der Doppelrahm mobbt die Crème fraîche, die Vorzugsbutter disst die Margarine («Von dir haben alle die Nase gestrichen voll»), der Gruyère macht den Cottage cheese fertig («So ne Hafechääs»), und wenn man nicht rechtzeitig dazwischen geht, sind am Schluss alle sauer. Derweil schwitzt der milde Emmentaler aus allen Löchern, weil er es allen recht machen will und gerade deshalb von niemandem gemocht wird.

Vom Gemüse will ich gar nicht erst reden. Der Rotkohl wird nicht grün mit dem Weisskohl, der sieht gleich rot, wenn ich den Grünkohl bevorzuge, was wiederum den Federkohl grün vor Neid macht. Der Kopfsalat ist auch so ein Lauch. Glaubt stets, sein letztes Stündchen habe geschlagen, weil er die Radiesli von unten anschaut. Dabei ist das keine Metapher, sondern einfach meine Art, die Gemüseschublade einzuräumen: unten Salat, oben Radiesli. Aber das schnallt er nicht. Kommt wahrscheinlich davon, wenn man das Herz im Kopf hat. Dann ist die Logik am Arsch.

Immer alles gleich persönlich nehmen, das können sie, meine Lebensmittel. Das Lagerbier zischt und schäumt, wenn ich an seiner Stelle zum Amberbier greife. Von wegen «kühles Blondes». Leck mich doch, tönt es derweil dumpf aus dem Tiefkühlfach. Das ist die einsame Raketenglace vom letzten Sommer. Und ich weiss nicht so recht, ob das als süsse Aufforderung gemeint ist oder doch als Beleidigung.

Entnervt schliesse ich den Kühlschrank. Im Keller hats noch eine Dose Ravioli. Die heissen zwar Maultaschen, halten aber den Mund und sind einfach nur froh, wenn sie endlich aus der Dose ausbüxen können.

(Bild: Alfred Heiler/Pixelio)

Weihnachtswunder

«Übrigens» in den «Freiburger Nachrichten» vom 23. Dezember 2022

Wunder halten sich nicht an Daten.

Darum geschehen Weihnachtswunder meist auch nicht an Heiligabend; die trunkene Fonduechinoisesösseliseligkeit macht taub für Wunder, die meist auf leisen Sohlen um die Ecke huschen.

Viel eher passieren Wunder zum Beispiel an einem neblig-kalten 21. Januar, wenn man – eine Woche nach dem offiziellen Entsorgungstermin, mit entsprechend schlechtem Gewissen, die Mütze tief ins Gesicht gezogen und im Schutz der Dämmerung – seinen schon arg abgenadelten Christbaumkadaver mit klammen Fingern und ein paar Flüchen («Fondüschinuassösselisiechnomoll») zur Gemeindeentsorgungsstelle schleppt und dort auf einen seelenverwandten Menschen mit einem noch viel erbärmlicheren Festtagsbesen und einem ähnlich schlechten Gewissen trifft, man mit einem Lachen und einem flapsigen Spruch versucht, die Peinlichkeit des Ertapptwerdens zu überspielen, man darüber ins Gespräch kommt, in ein langes und gutes Gespräch, das man zu Hause bei Gifferstee (er schmeckt mit jeder Tasse wunderbarer) fortsetzt und dann aus der Komplizenschaft über das gemeinsame Übertreten des kommunalen Abfallreglements eine Liebe heranwächst, die auch noch Jahre später so frisch duftet und herrlich glänzt wie ein gerade eben gefälltes Rottannli im Lamettakleid.

Das ist dann ein Weihnachtswunder, auch – oder sogar erst recht – wenn es sich erst am 21. Januar zuträgt. Oder sich schon am 19. ereignet.

Denn wie gesagt: Wunder halten sich nicht an Daten. Wunder geschehen unerwartet.

Wer allerdings nur auf Wunder wartet, darf keine Wunder erwarten. Wunder gibt es zwar immer wieder, wie schon die Schlagersängerin Katja Ebstein wusste, aber nur, wenn wir sie geschehen lassen. Oft reicht es schon, wenn wir dem Wunder «leise wie einem Vogel die Hand hinhalten», wie die Dichterin Hilde Domin geschrieben hat.

Wunder halten sich nicht an Daten, Wunder halten sich an Taten. Man kann auf Wunder hoffen, man kann sie aber auch einfach schaffen.

Ich glaube, wir würden uns alle wundern, wie wunderbar leicht es wäre, Wunder zu wirken, wenn wir es nur täten. Egal ob an Weihnachten oder einem der anderen 363 Tage, die uns dafür zur Verfügung stehen.

Wie uns die Weihnachtsgeschichte zeigt, reicht es für den Anfang ja schon, Mensch zu werden.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen wundervolle Weihnachten.
Und einen wundervollen 21. Januar.
Und viel Spass beim Entsorgen Ihres Christbaums.

Team Frederick

«Übrigens» in den «Freiburger Nachrichten» vom 11. Oktober 2022

Kennen Sie Frederick? Die Feldmaus aus dem gleichnamigen Bilderbuch von Leo Lionni? Im Herbst sammelt Fredericks Familie Vorräte für den Winter. Nur Frederick sitzt untätig herum. Er sammle Sonnenstrahlen, Farben und Wörter für die kalten, grauen und langen Wintertage, entgegnet Frederick auf die Frage, warum er nicht mit anpacke. Dann ist der Winter da, kalt und lang. Die Vorräte schwinden, der Frühling ist noch lange nicht in Sicht. Zum Glück können die Mäuse jetzt von Fredericks Vorräten zehren. Er erzählt von den Sonnenstrahlen, und den Mäusen wird ganz warm ums Herz. Seine Schilderung der Farbenpracht macht den Winter weniger trist, und mit seinem Gedicht gibt er der Mäuseschar Hoffnung.

Klingt kitschig? Klingt ziemlich aktuell, finde ich. Denn so, wie es aussieht, könnte der nächste Winter auch bei uns kalt, grau und lang werden, weil Strom und Gas fehlen – und die steigenden Preisen vielen ans Lebendige gehen. Zu zweit duschen, wie das unsere Energieministerin vorgeschlagen hat, ist übrigens keine Lösung. Irgendein Körperteil klebt dabei immer am nasskalten Duschvorhang. Und ständig denkt man an Sommaruga und Putin – und zu viert wird es in einer mittelständischen Duschkabine definitiv zu eng.

Es könnte ungemütlich werden. Wüste Diskussionen wird es darüber geben, ob die Skilifte dringender Strom brauchen oder die Stadttheater: Schwarzsee oder Schwanensee? Spätestens wenn wir im Advent durch die dunklen Innenstädte huschen auf der Suche nach dem letzten bisschen hübsch verpackten Strom für die Playstation des Göttibubs, sinkt die Stimmung unter den Gefrierpunkt. Und der auf 19 Grad heruntertemperierte Glühwein macht es auch nicht besser. Ein Politiker vom rechten Rand hat verklausuliert bereits mit einer Art Saubannerzug vors Bundeshaus gedroht. Natürlich liesse sich über ihn spotten, er gehe beim Stromsparen als leuchtendes Vorbild voran: nicht die hellste Birne – und auch die zwischendurch ausgeknipst.

Aber Hohn, Spott und Hass werden uns nicht über den Winter bringen.

Vielmehr brauchen wir Frederick. Wärme, Fantasie, Mitgefühl und Solidarität. Kluger Rat, Empathievorrat. Und weil es leider kein Bundesamt für die poetische Landesversorgung gibt, ist Eigenverantwortung gefragt. Füllen wir unsere Stauseen mit Liebe und die Pflichtlager mit Grosszügigkeit, damit wir heil durch den Winter kommen. Und genug Fantasie für mindestens 14 Tage sollte jede und jeder im Keller haben.

Tönt blöd? Tönt nicht verkehrt, finde ich. Ich jedenfalls bin im Team Frederick.

Jetzt muss ich aber los. Sonne tanken. Und Blätterfarbenpracht.

Monza in der Migros

«Übrigens» in den «Freiburger Nachrichten» vom 1. Juni 2022

Dieser Moment, wenn du das Einkaufswägeli von der Kette lässt und spürst, ihr zwei, das läuft. Heute erwische ich einen Klassiker, einen französischen Caddie, 130 Liter Korbvolumen, Kindersitz, hochglanzverzinkt. So sieht für mich Freiheit aus.

Mich juckts, gleich ordentlich Gummi zu geben. Aber erst mal ein Gefühl dafür bekommen in der überfüllten Früchteabteilung. Auch bei abrupten Richtungswechseln liegt der Franzose gut in der Spur. Seine Vorderräder eiern nicht rum wie Cassis in der Frage der Neutralität. Auch lenkt er sich angenehm leichtgängig. Sauber kurven wir an Tomatenbetatschern und körbchenbehängten Pfirsichbefühlern vorbei.

Jetzt kommen wir in die Gänge. Beim Einbiegen in die Konfitüren-Kaffee-Allee gehe ich mit ordentlich Schuss in die Kurve. Der sportliche Franzose dankts mit einem zufriedenen Schnurren. Ich beschleunige weiter, der Kindersitz bleibt auch bei drei Regalmetern pro Sekunde (Rm/s) klapperfrei.

Als wir durch die Bioabteilung rasen, fällt einem Kleinkind im Tragetuch vor der Brust seines Papas vor Schreck der Schnuller aus dem Mund. Papa zischt mir etwas Giftiges durch seinen Fairtradebart hinterher. «Freie Fahrt für freie Bürger:innen», entgegne ich. Bei fünf Rm/s werden einfach die neoliberalen Dämonen in mir wach, da hilft auch mein grosses Sozi-Herz nichts. Aber wenigstens habe ich gegendert.

Bei sechs Rm/s werden die Fahrgeräusche des bis anhin tadellosen Spassmobils doch etwas laut. Und was ist das? Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie mir im Gang nebenan ein Knirps frech zu grinst. Der will doch nicht etwa? «Kevin-Johannes», brüllt eine Frau, offenbar seine Erziehungsberechtigte. Aber da ist Kevin-Johannes schon mit dem vollbepackten Cola-Bomber seiner Mutter losgerast, 180 Liter Korbvolumen.

Na dann, schau zu und lerne, Kleiner. Ich beschleunige auf Höchsttempo. Dann hebe ich ab. In Supermannpose beuge ich mich über das Wägeli. So geht Aerodynamik, Kevin-Johannes, denke ich, während ich mit gefühlten 8 Rm/s an Beutelsuppen und Fertigsossen vorbeirase. Weit hinter mir höre ich ein lautes Rumms, als ein Berg Konservendosen zu Boden donnert. Dem Klang nach Eierravioli. Hat wohl der kleine Möchtegern-Poser die Kurve nicht gekriegt.

Drei Meter vor der Kasse steige ich auf die Bremsen, dass die Sohlen qualmen. Die Kassierin starrt entgeistert erst mich an, dann den leeren Einkaufswagen. «Auf die Schnelle habe ich nichts gefunden», sage ich.

Erst jetzt fällt mir ein, dass ich Quicksoup kaufen wollte.

Egal, komme ich halt morgen wieder.

Mit ein bisschen Training kriege ich die Strecke sowieso noch drei Sekunden schneller hin.  

Gähn, gähn, Gähn

«Übrigens» in den «Freiburger Nachrichten» vom 1. März 2022

Diese Kolumne ist zum Gähnen – und das mit voller Absicht, und in guter obendrein. Aber der Reihe nach. «Papi, wieso gähnen wir eigentlich?», wollte der Kleine neulich wissen, als wir abends müde nach Hause zottelten, und gähnte dazu sein ungeniertes Schimpansengähnen. «Vielleicht gähnetisch bedingt? Keine Ahnung», gähnte ich herzhaft zurück, versprach aber, mich schlau zu machen, sprich zu googeln.

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Neuzuzüger

Birkenmeier wusste im Nachhinein selbst nicht, welcher Teufel ihn geritten hatte. Die Sätze waren ihm einfach so rausgerutscht, am Freitagabend nach der Musikprobe am Stammtisch der «Eintracht». Sie sassen beim dritten, vierten Bier, als die Rede auf den Wolf kam. Roggo erzählte, er habe zwei Nächte zuvor einen Wolf heulen gehört, vom nahen Wald her, der Wildhüter habe auch Spuren im Schnee gefunden. Jungo klagte, die Bestie habe ihm letzte Saison auf der Alp drei Schafe gerissen, nicht etwa gefressen, nur zerfetzt habe er sie, worauf Kolly polterte, sein Gewehr sei geladen, der solle nur kommen, der Sauhund.

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Aufregen ist mein Yoga

«Übrigens» in den «Freiburger Nachrichten» vom 21. Januar 2022

Mir geht es echt mies heute. Ich habe mich gar noch nicht richtig aufregen können. Der Kaffee schmeckt, die Kinder sind schon aus dem Haus, nur gute Musik im Radio. Zum Kotzen. Als wollte mir das Leben sagen: «Siehst du, heute hast du gar keinen Grund, dich aufzuregen.»

Als ob ich einen Grund bräuchte, um mich aufzuregen.

Das wäre ja noch schöner, wenn man plötzlich einen Grund bräuchte, um sich aufzuregen. Wahrscheinlich einen vom Bundesamt für Gesundheit abgesegneten und von den Krankenkassen anerkannten Grund. Weil sich aufregen ja angeblich schlecht für die Gesundheit sein soll. Was wissen denn diese Ingwergesichter schon? Andere gehen täglich joggen, ich rege mich eben auf. Nichts treibt den Puls so effektiv hoch, wie sich eine Stunde lang ordentlich aufregen. Richtig auspowern kann ich mich, wenn ich mich enerviere.

Mich aufregen ist mein Yoga. Je fünf Minuten den «Berserker» und den «Wüterich» machen und meine innere Mitte braucht einen Kompass, um sich selbst wieder zu finden. So effektiv ist mein Ärger-Yoga.  

Ob ich reizbar bin? Reizbar? Da regt mich ja schon die Frage auf. Reizbar, das tönt gleich so negativ, dann noch das Etikett Wutbürger draufkleben und Schublade zu. Es ist zum Aus-der-Haut-Fahren. Ich! bin! nicht! reizbar!

Ich bin sensibel, ich bin empfindlich – im positiven Sinne. Das Gegenteil von sich aufregen ist nämlich nicht Gelassenheit, sondern Teilnahmslosigkeit. Sich aufregen heisst mitfühlen, mitleiden, sich nicht abfinden mit kleinen Unzulänglichkeiten und den grossen Ungerechtigkeiten. Wir müssten uns alle wieder mehr aufregen, taminomoll. Gründe gibt es genug, und wenn wir mal grad keinen Grund haben, dann empören wir uns eben grundlos, um in Form zu sein, wenn es wirklich drauf ankommt.

Nur Tote sind tiefenentspannt. Nur, wem sowieso alles scheissegal ist, regt sich nie auf. Das habe ich übrigens als Motto auf meine Yogamatte gestickt.

Apropos scheissegal: Glauben Sie, wir hätten heute Klos mit Wasserspülung, wenn sich nicht ein kluger Kopf anno Tobak darüber aufgeregt hätte, seine Notdurft in einen Topf verrichten und den Inhalt am Morgen in die Gosse leeren zu müssen? Hätte Kolumbus Amerika entdeckt, wenn er sich nicht über den mühsamen Landweg nach Indien genervt hätte? Sich aufregen ist der Motor des Fortschritts. Ohne Verärgerung keine Veränderung. Aber steht Ärgern als Kompetenz im Lehrplan 21? Hä?

Es ist zum Haaröl seichen. Und mein Kaffee ist inzwischen auch kalt geworden, hueresiech. Aber wenigstens fühle ich mich inzwischen ein bisschen besser.

Danke fürs Zuhören.

Aha-Moment

«Übrigens» in den «Freiburger Nachrichten» vom 17. Januar 2022

«Du, Schatz, ich muss dir was sagen.»
«Aha.»
«Was aha?»
«Was, was aha? Ich habe einfach aha gesagt.»

«Aha.»
«Was aha? Du hast «Du, Schatz» gesagt, und ich habe nur aha gesagt.»
«Aha, nur aha. Mehr fällt dir also nicht ein zu mir als aha?»
«Doch, mir fällt sogar ganz viel zu dir ein.»

«A-ha!!»
«Nichts a-ha!! Einfach aha habe ich gesagt, ganz ohne a-ha!! Du verdrehst einem auch jedes Wort im Mund.»
«Aha! Und was hast du denn mit deinem Aha gemeint?»
«Mein Gott, was soll ich denn mit Aha schon gemeint haben?»
«Das möchte ich eben von dir wissen! Vielleicht aaa-ha? Oder a-haa? Oder vielleicht sogar haha?»

«Haha?»
«Aha, haha also. Findest du das etwa witzig, wie es läuft mit uns beiden?»
«Nicht haha. Aha habe ich gesagt. Aha. Aha. Aha.»
«A-ha.»
«Was a-ha?»

«Merkst du eigentlich, dass du ständig aha-st?»
«Ich aha-e?»
«Du aha-st. Statt mir richtig zuzuhören, aha-st du nur.»
«Aha.»
«Sagt auch A.H.»
«Aha?»
«A.H. Armin Heuberger. Mein Therapeut.»
«A-ha…»

«Und einsilbig bist du obendrein. Sagt er auch.»
«A.H.! A.H.!! Rutsch mir doch den Buckel runter mit deinem A.H.»
«Mein aha? Das Problem hier ist doch wohl eher dein aha.»
«Aha? Wer reitet denn die ganze Zeit auf dem aha herum?»
«Diese Unterstellung verbiete ich mir! Das mit A.H. mache ich doch nur, weil du das mit dem aha angefangen hast.»
«Ich habe doch nichts mit deinem Therapeuten angefangen!»
«Ich meine dein aha, nicht mein A.H.»

«Aha.»
«Du aha-st schon wieder.»
«Jetzt fang nicht schon wieder diesem blöden aha an.»
«Du hast als erster aha-t.»
«Aber doch nur, weil du «mein Schatz, ich muss dir was sagen» gesagt hast. Da wollte ich dir mit meinem Aha signalisieren, dass ich ganz Ohr bin.»
«Aha?»
«Aha!»
«Aha…»

«Was wolltest du mir denn eigentlich sagen?»
«Das habe ich vor lauter aha jetzt glatt vergessen.»
«Aha.»

Lobet den Berliner

«Übrigens» in den «Freiburger Nachrichten» vom 17. August 2021

Hat je schon eine Dichterin, ein Dichter besungen die Schönheit und Vollkommenheit des Berliners? Und damit meine ich nicht den schnoddrigen Menschenschlag aus der deutschen Hauptstadt, sondern diese aus der Höllenhitze der Fritteuse auferstandene paradiesische Verheissung himmlischer Glückseligkeit auf Erden, die sich für kleines Geld – oh süsse Versuchung – bei jedem rechtgläubigen Bäcker kaufen lässt. Und nur dort, ihr Jüngerinnen und Jünger des Hefegebäcks, sollt ihr euren Berliner erstehen. Denn was eingeschweisst in Plastik beim Grossverteiler im Regal steht, ist teuflisches Blendwerk. Nur tagesfrisch ist ein Berliner ein Apostel der Sinnesfreude, Amen und aus.

Allein der Puderzucker, der einem beim Herausziehen aus dem Papiersäckli an den Fingern kleben bleibt, aahh!, man wird ihn sich – sündige Vorfreude – ganz am Schluss, wenn das Gebäck schon verspeist ist, mit kindlicher Freude von den Fingern schlecken, gründlich und ungeniert. Dass sich der Freiherr von Knigge dabei formvollendet im Grab umdreht, schert mich einen feuchten Nussgipfel.

Aber noch ist es nicht so weit, noch ist der Schaumgeborene unberührt; himmlisch, wie sich der wolkenweiche Körper einem schon beim ersten Bissen ergibt; doch – frohlocket, Freunde des gepflegten Fett- und Zuckerkonsums – das Herz, das fruchtig-süsse Konfitürenherz, es versteckt sich keck. Erst beim nächsten grossen Biss – und grosse Bissen müssen es sein, Knabbern kann man an Salzstängeli, Berliner aber wollen mit grossen Bissen verschlungen werden – offenbart sich das wahre Wesen des Berliners. Puderzucker, Hefeteig, Konfitüre – gepriesen seien diese drei.

Dieses Gefühl, wenn sich die süsse Fülle in den Mund ergiesst, himmlisch!, schnell links und rechts über die Mundwinkel lecken, damit nichts verlorengeht. Diese Sünde ist jede Kalorie wert. Käme ich je in die missliche Lage, eine Henkersmahlzeit wählen zu müssen, ein Berliner müsste es sein – für mich und für den Henker. Denn wer Berliner isst, will niemanden mehr hängen, sondern nur noch wohlig-verfressen abhängen.

Das einzige Problem beim Berliner ist seine Endlichkeit. Viel zu schnell ist er weg. Aber halt, da sind ja noch die Finger. Habe ich die Finger schon erwähnt? Die letzte Süsse mit spitzen Lippen von den Kuppen saugen. Und da, ist da nicht noch ein Spürchen Puderzucker auf der Tischplatte, ein letztes bisschen Engelsstaub? Sorgfältig mit feuchten Fingern auftupfen – ein letztes Erahnen des Wunders, das einem gerade gnädig zuteilgeworden ist.

Einfach göttlich.

Und, bevor Sie fragen: Ja, Berliner haben immer Saison.

Eins zu Müll

«Übrigens» in den «Freiburger Nachrichten» vom 24. Juni 2021

Erst eine Minute gespielt hier in der Hugo-Ball-Strasse und gleich die erste Überraschung dieser Partie. Aus der Tiefe des Raumes lanciert Aebischer das Spiel. Ausgerechnet Aebischer aus der 15, mit dem keiner mehr gerechnet hat. Mit seinen 77 Jahren eine Legende. Den Krückstock in der Linken, den Abfallsack in der stark arthritischen Rechten, dribbelt, äh, trippelt Aebischer in Pantoffeln los Richtung Abfallcontainer. Aber was ist das? Mit schmerzverzerrtem Gesicht bleibt er stehen. Die Hüfte? Die Knie? Der Rücken? Keiner hatte mehr Verletzungspausen als Aebischer, sein Transfer ins Altersheim ist beschlossene Sache. Ist sein letztes Comeback so kurz wie Akanjis Haare? Nein, Aebischer spielt weiter.

Doch da, wie aus dem Nichts taucht Hugentobler aus der 23 auf, ein Pfosten von Mann, ein regelrechter Vollpfosten. Er rempelt Aebischer von hinten an und stürmt Richtung Container. Foul! Und was klirrt da in Hugentoblers Sack? Glasflaschen im Gebührensack?! Rote Karte! Platzverweis! Schläft der Schiri eigentlich?

Aebischer taumelt. Fällt er? Nein, Albisetti aus der 32 eilt herbei und stützt ihn. Faire Geste, doch Albisetti ist brandgefährlich. Denn auch sie ist im Sackbesitz und stöckelt jetzt mit hohen Hacken Richtung Container. Sieht sie Müller nicht? Müller aus der 29! Er wäre frei, solo, Single, mutterseelenallein steht er da, schon seit Jahren, und bietet sich an. Doch Albisetti spielt ihn einfach nicht an. Verpasste Chancen noch und nöcher. Müller bleibt auch heute nur Handspiel im eigenen Schlafraum.

Da vorne passiert was! Die Rumo aus der 51 beginnt zu mauern. Altpapierbündel um Altpapierbündel stellt sie raus. Klassische Sensler-Taktik. Mach um üsers Ländli i de Not as Wändli. Wird Aebischer eine Lücke finden? Hat er überhaupt noch den Hauch einer Chance?

Denn vorne wuchtet Hugentobler bereits den Deckel auf, gleich tütet der ein. Aber da, was macht Aebischer? Er fixiert den Container. Der will doch nicht? Das kann er unmöglich… Das sind mindestens 25 Meter! Doch Aebischer holt aus, der Sack fliegt, beim heiligen Sepp, das ist die Chiquita unter den Bananenflanken. Wird Aebischer, der Rentner-Ronaldo, der Bandscheiben-Beckham, der Messi des Mülls, das Spiel noch wenden? Nein!! Der Sack eiert zu hoch rein – doch was ist das? Unglaublich! Aebischer trifft mit voller Wucht den Pfosten, den Vollpfosten – und Hugentobler köpfelt ein, ohne zu wissen, wie ihm geschieht.

Tooooor!! Eins zu Müll für Aebischer! Magische Momente wie dieser machen die gebührenpflichtige Abfallentsorgung zu dem, was sie ist. Und damit zurück in die Müllverbrennungsanlage.