Vitamine on the go

«Übrigens» in den «Freiburger Nachrichten» vom 31. Januar 2024

Marketing ist alles. Haferbrei zum Beispiel war früher «bäh», seit er als Porridge verkauft wird, ist die Pampe der neue heisse Scheiss. Diesen Trick mache ich mir jetzt auch zunutze. Denn ich habe ein Problem. Als Vollzeitmensch mit Teilzeitstelle passiert es mir nämlich ab und an, dass mitten an einem Werktag weder mein Chef noch meine Familie nach mir verlangen, und auch der Haushalt nicht gemanagt werden will (faul rumliegen kann der Staub auch ohne mich). Dann sitze ich so da, sehe die Sonne vor dem Fenster und denke: Ein Spaziergang wäre jetzt ganz schön. Den mache ich dann auch, aber mit schlechtem Gewissen. Denn während ich dem unproduktiven Müssiggang fröne, müssen die andern doppelt schuften, damit das Bruttosozialprodukt nicht in den Keller rauscht.

Deshalb sage ich seit Neustem nicht mehr «ich gehe spazieren», sondern «ich kümmere mich um mein Start-up». Da sind immer alle gleich ganz Ohr: Oha, Start-up, cool! Wenn ich dann aber sage «Ich habe eine Vitamin-D-Manufaktur am Laufen», blicke ich erstmal in angewiderte Haferbrei-Gesichter. Was, du machst Lebertran? Iwo, entgegne ich, mein Start-up habe einen revolutionär anderen Ansatz. Die Disruption des Vitaminpülverli-Businesses sei der Purpose, für den ich am Ende des Tages die Extrameile gehe (Start-ups reden wirklich so, achten Sie mal drauf). Mein Geheimnis? Artisanal hergestelltes Craft-Vitamin-D, nach altem Familienrezept sorgfältig fermentiert in der körpereigenen Mikrobrauerei, radikal nachhaltig produziert mit hautgepflückten und regional zertifizierten Sonnenstrahlen, klimapositiv und kaloriennegativ. Koscher, halal und römisch-katholisch. Der Porridge unter den Vitaminen.

Produziert wird fortlaufend unter freiem Himmel, Vitamine on the go, sozusagen. Only the sky is the limit: Vom Oktober bis März sind Betriebsferien – was übrigens super ist für die Work-Life-Balance. Und natürlich exklusive Produktion, personalisierte Kleinmengen, limited special Edition, also eigentlich nur Eigenbedarf. Wie sich damit Geld verdienen lässt? The idea is the product, stupid. Franchising natürlich: Jeder seine eigene Vitamin-D-Manufaktur, jede eine Filiale von «my D & me» – übrigens, cooler Brand, oder? Hautsache Sonne, dann läufts. Tscheggsch?

Spätestens dann schaut mich mein Gegenüber kopfschüttelnd an: «Du solltest dringend wieder mal an die frische Luft, Stephan. Geh doch mal spazieren.»

Was mir einmal mehr beweist, wie genial meine Idee ist.

Jetzt muss ich nur noch herausfinden, wie ich meine durchgelatschten Schuhsohlen dem Steueramt als Arbeitsspesen verkaufen kann.

Übrigens: 60 meiner Kolumnen gibt es im neuen Sammelband «Eins zu Müll für Aebischer». Das Buch bringe ich für 22 Franken persönlich zur Post. Zur Bestellung gehts hier lang.

Bild: Sara Kauten/Unsplash

Restjahreswünsche

«Übrigens» in den «Freiburger Nachrichten» vom 9. Januar 2024

Jedes Jahr dieselbe Frage: Wie lange nach Silvester darf, kann, soll und muss man sich ein gutes neues Jahr wünschen? Für die deutsche Benimm-Expertin Ulrike-Ebba Gräfin von Sparr ist klar: «Bis zum 6. Januar ist der Wunsch völlig in Ordnung. Ab dem 10. Januar würde ich aber eher darauf verzichten.» Das sagte sie der deutschen Zeitung «Bild», und die kennt sich mit Anstand und Manieren schliesslich aus.

Als Benimm-Laie ohne von und zu vertrete ich, mit Verlaub Frau Gräfin, eine andere Meinung. Denn am 10. Januar dauert das neue Jahr ja immer noch 355 Tage, heuer sogar 356. Das ist eine sehr lange Zeit. Ob ein paar Neujahrswünsche, Anfang Jahr in Champagnerlaune ausgesprochen, für so viel Alltag ausreichen? Ich habe da meine Zweifel. Denn Neujahrswünsche sind wie Silvesterfeuerwerk, viel Glitzer, aber schnell verpufft.

Wären Wünsche für ein gutes Jahr nicht viel angebrachter Ende Januar, wenn die erste Krankenkassenrechnung ins Haus flattert und man realisiert, dass die Prämie mehr aufgeschlagen hat als der Teuerungsausgleich auf dem Lohnzettel? Da käme ein bisschen Zuversicht, dass das Jahr trotz allem gut wird, gerade recht – und ein Gläschen Schampus obendrein (vom billigen), um zu vergessen, dass es mit der Prämie nur noch schlimmer wird.

Wie gut täte es uns, wenn uns jemand mitten im Jahr, wenn uns das Schicksal seine Arschlochfratze zeigt, in den Arm nehmen und sagen würde: «Ich wünsche dir, dass der Rest des Jahres wieder gut wird für dich.» Und wie schön, wenn er es auch so meinen würde. Und noch schöner, wenn dieser Mensch da wäre, um sich mit einem zu freuen, wenn das Jahr tatsächlich wieder gut würde. Oder weniger schlimm als befürchtet.

Und was für ein Geschenk, wenn er oder sie es nicht bei den guten Wünschen beliesse, sondern tatkräftig und warmherzig nachhelfen würde, dass die guten Wünsche auch tatsächlich in Erfüllung gingen. Oft brauchts dazu ja nicht viel.

Ich habe mir jedenfalls dieses Jahr fest vorgenommen, jedes Gespräch zu beenden mit den besten Wünschen für den Rest des Jahres. Und bei Menschen, die mir besonders nahestehen, werde ich fragen: «Was kann ich tun, damit der Rest des Jahres gut für dich wird?»

Andererseits: Die guten Vorsätze beginnen ja spätestens am 6. Januar zu nadeln wie der Christbaum in der warmen Stube. Und spätestens am 10. Januar entsorgt man sie mit leiser Wehmut und schlechtem Gewissen auf dem Komposthaufen des Werkhofes. Und es ist nur ein kleiner Trost, dass man damit nicht der einzige ist.

Von daher: Möge der Rest des angebrochenen Jahres gut zu Ihnen sein. Und Sie zum ihm.

PS: Mein neues Buch «Eins zu Müll für Aebischer» mit 60 Kolumnen aus den letzten Jahren können Sie für 22 Franken (inkl. Porto) bei mir bestellen.

Bild: Pixabay

Die Medaille

«Übrigens» in den «Freiburger Nachrichten» vom 10. November 2023

Ich bin keine Sportskanone. Eher eine Chäpsli-Pistole. Wenig Pfupf. Und schnell ausgeschossen. In der Schule war ich der Schlechteste im Turnen. Ausser beim Kanon im Blockflötenunterricht, da kam ich immer als erster ins Ziel. Der Usain Bolt des Spöizknebels, ungeschlagen über Kanon und Refrain.

Meinen grössten sportlichen Triumph aber – der umso heller strahlt, weil er mein einziger geblieben ist – erlebte ich im August 1999. Als Praktikant der «Neuen Luzerner Zeitung» berichtete ich über die Luzerner Seeüberquerung. Ein 50-Zeilen-Job – und eine Grenzerfahrung. Als mich nämlich der Presseverantwortliche kurz vor dem Start fragte, ob ich im Begleitboot mitfahren oder lieber schwimmen wolle, antwortete ich wie aus der Chäpsli-Pistole geschossen: «Ich schwimme natürlich mit.» Obwohl ich gar keine Badehose dabei hatte. Und nach einem feucht-fröhlichen Fest kaum geschlafen hatte. Aber Leichtsinn ist der zweite Vorname junger Männer. Ausserdem hatte mein Mentor mir eingebläut: «Als Reporter musst du eintauchen in die Aktualität.»

Also stieg ich zuerst in die Badehose, die man mir aus der Fundkiste reichte, und dann in den See. In der Kanti hatten wir jedes Semester einen Kilometer schwimmen müssen. Ich hatte jede der 40 Runden gehasst. Aber ich fühlte mich gerüstet für die 960 Meter Seebecken.

Eine katastrophale Fehleinschätzung. Das merkte ich schon nach den ersten Schwimmzügen. Im Hallenbad konnte man sich alle 25 Meter am Rand festhalten, auf dem See hingegen sah ich zwar ständig das andere Ufer vor Augen, aber es kam und kam nicht näher. Und geheizt war der See auch nicht. Kühle 18 Grad hatte er. Für die Profis kein Problem. Die hatten sich dick mit Melkfett eingestrichen und stiegen nach zwölf Minuten schon wieder aus dem Wasser. Meine Zeit ist zum Glück nicht überliefert, aber es waren wohl die längsten 45 Minuten und 30 Sekunden meines Lebens. Mit jedem müden Hühnerbrustschwimmzug fror ich mehr. Und als ich endlich im Lido aus dem Wasser stieg, war mir so kalt wie einem Fischstäbli in der Tiefkühltruhe. Noch in der Redaktion schlotterte ich, als ich meinen Titel in die Tastatur haute: «Bei 18 Grad auch für Profis kein Plausch.»

Zu meiner Überraschung erhielt ich ein paar Tage später per Post eine Medaille zugeschickt. Ich war in meiner Kategorie Dritter geworden. Keine grosse Kunst bei nur drei Teilnehmern.

Den Plämpu habe ich bis heute. Als Erinnerung an meine jugendliche Selbstüberschätzung. Und als Lektion fürs Leben: Es ist keine Schande, Letzter zu werden. Man muss nur klug genug sein, in der richtigen Kategorie zu starten.

Übrigens: Für nur 22 Franken können Sie sich, mir und anderen eine Freude machen, indem Sie mein Buch «Eins zu Müll für Aebischer» mit 60 meiner Kolumnen kaufen. (mehr dazu hier)

Im Lese-Fluss

«Übrigens» in den «Freiburger Nachrichten» vom 25. September 2023

Als Kind bin ich in einen Fluss gefallen. Seither habe ich Superkräfte.

Aber der Reihe nach. Gibt es ein Buch, das Ihr Leben verändert hat? Bei mir ist es «Die Kahnfahrt» von John Burningham. In Ihrem Lesezirkel werden Sie damit nicht punkten können. Es ist nämlich ein Bilderbuch für Kinder, mit ganzen 30 Seiten und 30 ganzen Sätzen.

Die Geschichte ist schnell erzählt. Herr Adam macht eine Kahnfahrt auf dem Fluss. Erst lässt er zwei Kinder mitfahren, «wenn ihr nicht rauft». Nach und nach steigen ein Kaninchen, eine Katze, ein Hund, ein Schwein, ein Schaf, Hahn und Henne, ein Kalb und eine Ziege in den Kahn, nachdem Herr Adam sie ermahnt hat, nicht zu hüpfen, sich nicht zu jagen, keinen Dreck zu machen, nicht zu blöken, nicht zu flattern, nicht zu trampeln und nicht zu boxen.

Natürlich, Sie ahnen es, passiert genau das. Die Ziege boxt, das Kalb trampelt, der Kahn kentert, und alle plumpsen ins Wasser. Statt einem Donnerwetter gibts von Herrn Adam eine Einladung zum Tee – ja, es ist ein englisches Kinderbuch – und das Versprechen, bald wieder einen Ausflug zu machen.

Vielleicht denken Sie jetzt, was muss der Moser für ein lauwarmes Henniez légère sein, dass ihn so etwas beeindruckt. Aber: «Die Kahnfahrt» war das allererste Buch, das ich je gelesen habe. Wir waren in der ersten Klasse gerade mit dem Alphabet durch, und an einem Sonntag, meine Eltern und mein Bruder lasen in der Stube, schnappte ich mir das Buch und begann: D-a-s i-s-t H-e-r-r A-dam.

Die Buchstaben setzten sich zu Wörtern zusammen, aus Wörtern wurden Sätze, und die Sätze formten sich zu einer Geschichte.

Ich war geflasht.

Und ich bin es immer noch. Zusammen mit der fröhlichen Kahngesellschaft fiel ich vor 40 Jahren in den Fluss, den Lese-Fluss, und als ich wieder auftauchte, war ich verwandelt. Ich hatte den Schatz im Silbensee gefunden, ich hatte meine Superkraft entdeckt. Ich konnte lesen. Lesend kann man eintauchen in fremde Welten, sich von spannenden Geschichten mitreissen lassen, sich an aufregende Ufer spülen lassen, nach Gedanken tauchen, die wie funkelnde Kiesel im Bachbett liegen, oder sich hypnotisieren lassen vom Gurgeln, Murmeln und Rauschen des Sprachflusses.

Man steigt nie zweimal in denselben Fluss. In den letzten 40 Jahren habe ich viele Bücher aufs Podest des Lieblingsbuches gehoben. Bei manchen frage ich mich heute, was ich früher nur an ihnen finden konnte. «Die Kahnfahrt» aber hat ihre Magie behalten.

Jetzt muss ich aber los. Das nächste Buch wartet schon.

Jetzt heisst es Luft holen und abtauchen, wir sehen uns dann flussabwärts.

«Eins zu Müll für Aebischer» – 60 Kolumnen in Buchform

Ich freue mich riesig. Am 28. September erscheint «Eins zu Müll für Aebischer», der zweite Sammelband mit meinen Kolumnen aus den «Freiburger Nachrichten».

Vernissage ist am 28. September, um 19.30 Uhr bei «Wier Seisler» in Tafers. Ich trete zusammen mit dem Chansonnier Josef Bossart auf – ein literarisch-musikalisches Ping-Pong. Du hast Lust, dabei zu sein? Wunderbar: Die Tickets sind gratis – da bleibt mehr Geld übrig, um das Buch zu kaufen. Oder gleich zwei, oder drei.

Plätze reservieren kann man hier.

Die Bücher sind ab dem 28. bei den FN und mir erhältlich. Die Details folgen bald.

Im Video mit den FN erzähle ich, wie ich auf meine Ideen komme.

Hündeler und Mönscheler

«Übrigens» in den «Freiburger Nachrichten» vom 13. September 2023

«Was für ein Hundewetter. Freiwillig wäre ich heute nicht rausgegangen.»

– «Ich auch nicht. Höchstens schnell vor die Tür, auf der Fussmatte dem Ruf der Natur folgen, und dann wieder rein und weiterdösen.»

«Aber nein, wir mussten ja unbedingt schon um 7 Uhr raus, um ganz sicher ganz zufällig im Park auf euch zu treffen.»

– «Gaaanz zufällig. Wie jeden Tag. Seit sechs Monaten.»

«Die sind heiss aufeinander, das riech ich hundert Meter gegen den Wind.»

– «Aber die beschnuppern sich jetzt schon seit einer Ewigkeit. Wieso gehen die nicht endlich zur Sache? Ab in die Büsche und dann Chappi-Chappi.»

«Also meine wäre grad läufig. Ist deiner eigentlich kastriert?»

– «Kastriert!?!»

«Ups, ich wollte nicht rüde sein, da habe ich bei dir wohl einen wunden Punkt getroffen. Tut es immer noch weh?»

– «Es tut gar nichts mehr – weh, meine ich. Und nein, er ist nicht kastriert, entwurmt auch nicht. Er ist einfach ein bisschen scheu. Wenn ich den nicht so fest an der Leine hätte, käme der schon auf Ideen, glaub mir.»

«Dann soll er nicht so dastehen wie ein begossener Pudel. Die beiden würden doch so gut zusammenpassen. Meine liebt zum Beispiel lange Spaziergänge in der Natur.»

– «Meiner auch.»

«Und Hunde.»

– «Da wird ja der Hund in der Pfanne verrückt! Meiner auch.»

«Und meine ist einsam. Abends heult die manchmal wie ein Schlosshund.»

– «Einsam ist meiner auch. Ausserdem treu, anhänglich und kinderlieb. Und kraulen kann der, ich sag dir, oh là là.»

«Meine ist total verschmust. Ach, die würden so gut miteinander auskommen, vielleicht sogar zusammenziehen.»

– «Dann würden wir beide ja auch zusammenwohnen!»

«Wäre das ein Problem für dich?»

– «Nein, im Gegenteil, ich mag dich voll gut riechen.»

«Ich finde dich auch dufte, auch wenn du ka… du weisst schon…»

– «Ich würde mein Körbchen jederzeit mit dir teilen. Auf lange Sicht ist so ein Mensch ja auch kein vollwertiger Ersatz für einen Hund.»

«Dann sollten wir die beiden jetzt aber endlich mal von der Leine lassen, damit sie miteinander spielen können. Meinst du nicht auch?»

– «Unbedingt. Riechst du die Perserkatze da drüben? Auf drei reissen wir uns los und jagen das eingebildete Stück Fell quer durch den Park.»

«Und wenn’s für die Katz ist?»

– «Für die Liebe ist nie für die Katz.»

«Von dir?»

– «Dogstojewski.»

«Trotzdem schön. Also los, für die Liebe!»

– «Für die Liebe!»

Geheime Wünsche

«Übrigens» in den «Freiburger Nachrichten» vom 18. Juli 2023

Wovon träumen Rasenmähroboter, wenn sie nachts friedlich in ihrer Ladestation schlummern und handgemachten Ökostrom nuckeln? Stellen sie sich vor, ein Mähdrescher zu sein in den unendlichen Weiten des amerikanischen Westens? Einfach mal drauflosdreschen, tagelang durch die Weizenfelder pflügen. Das grösste Vieh in der Prärie und weit und breit keine Thujahecke, kein Trampolin und kein Gartenzwerg, die einen stoppen. Ach, wenn nur der Akku so gross wäre wie die Träume.

Was geht dem Staubsaugerroboter durch die Schaltkreise, der stumpfsinnig seine ewig gleichen Runden dreht und Dreck frisst, bis er eines Tages zum ersten Mal Saharastaub schmeckt: Wie fremd und aufregend! Heiss brennt das Verlangen nach Tapetenwechsel in seiner Platine, er spürt, da draussen muss es noch mehr geben als nur Katzenhaare und Eichenparkett. Aber er schaffts nicht einmal bis vor die Haustüre. Schwellenangst.

Was wissen wir, was in unseren Haushaltsgeräten vorgeht? Hätte das Bügeleisen gerne Räder, um durch den Jura zu dampfen als Dampfbügeleisenbahn? Wie viele Toaster erleiden Jahr für Jahr ein Burn-out, weil sie eigentlich lieber etwas anderes machen möchten als Toast, zum Beispiel Kleintierkremationen? Wer weiss, vielleicht träumt Ihr Schwingbesen vom Hosenlupf im Sägemehl. Den Knethaken hat er schliesslich drauf wie kein anderer. Und doch wird kein Böser je aus ihm. Sonntagszopf statt Siegerkranz.

Sind wir uns der Seelenpein unserer Haushaltsgeräte bewusst? Wie sehr leidet der philosophische Föhn darunter, dass er nur heisse Luft produziert? Oder wäre er gerne so fies drauf wie sein grosser Bruder, der den Urnerinnen und Urnern nicht nur die Haare zerzaust, sondern auch das Gehirn? Was ist mit der Personenwaage? Hat sie es nicht längst dicke, ständig mit Füssen getreten zu werden? Und wie schwer muss es für den Beamer sein, sich nicht wegbeamen zu können?

Was wissen wir schon über die geheimen Wünsche, Nöte und Träume unserer Haushaltsgeräte? Nichts wissen wir.

Und das ist auch gut so. Ich jedenfalls würde kein Auge mehr zu machen, wenn ich wüsste, dass die Moulinex eine eiskalte Psychokillerin ist, die mit ihren scharfen Messern eigentlich was ganz anderes schnetzeln möchte als nur Sellerie und Karotten. Und der Fritteuse traue ich sowieso nicht über den Weg; die war in einem früheren Leben sicher Folterknechtin der Inquisition.

Aber wenn Sie Mitleid mit Ihrem fernwehkranken Staubsauger haben: Er darf gerne bei uns ein paar Tage Ferien machen. Es gibt hier ein paar ganz unberührte Ecken zu entdecken.

Bild: Markus Distelrath/Pixabay

Der Wäscheberg ruft

«Übrigens» in den «Freiburger Nachrichten» vom 24. Juni 2023

Vor 70 Jahren bestiegen Tenzing Norgay und Edmund Hillary als erste Menschen den Mount Everest. Ruhm und Ehre sind ihnen sicher. Völlig zu Unrecht vergessen werden hingegen alle Alpinistinnen und Alpinisten, die Woche für Woche die lebensfeindlichen Gipfel bezwingen, die sich bei ihnen zu Hause himmelhoch türmen: der Kleidermantscharo, der Piz Pulli, das Fleckhorn, der Dent du Minijupe, der Monte Hose, der Mount Washmore.

Glaube versetzt Berge? Schön wärs! Meine Wäscheberge wandern jedenfalls nicht von allein in die Maschine und zurück in den Schrank. Da kann ich glauben, so viel ich will. Nur beherztes Zupacken hilft. Im Frühtau zu Berge, heya ho, fallera. Wenn der Berg ruf, muss ich rauf. Wobei paradoxerweise jede Bezwingung eines Wäschebergs mit einem Abstieg beginnt. Hinunter in die Waschküche. Erst aber muss ich im Basislager die ganze Wäsche einsammeln. Die Socken der Kinder vom Sofa pflücken, T-Shirts unter dem Bett hervorfischen (Wann habe ich eigentlich das letzte Mal gesaugt?) und mit spitzen Fingern Turnbeutel leeren, in denen die Evolution grad die neusten Killerkeime ausbrütet.

(An dieser Stelle dürfen Sie übrigens gerne Ihre spöttischen Kommentare loswerden. Im Sinne von «Selber schuld, der Moser, hätte der halt seine Kinder von klein auf in seine Wäscheseilschaft integriert». Oder auch ihr stilles Eingeständnis, dass es bei Ihnen auch nicht anders läuft.)

Aber wie schon Reinhold Messner sagte: «Aus Widerständen lässt sich Grossartiges erreichen.» Also ran an den Berg. Ich riskiere Kopf und Kragen beim Einstieg über den Hemdengrat, passiere den Jeanskamm (den schaffen auch Nieten), gebe beinahe auf im Sockencouloir (Wo ist bloss meine Sauerstoffflasche?) und steh am Schluss vor der Frotteeflanke, 90 Grad, ohne Weichspüler – das wird hart.

Wobei beim Wäscheberg die meiste Arbeit erst nach dem Aufstieg erfolgt. Aufhängen, zusammenlegen, wegräumen. Und ja, sie haben richtig gelesen, ich bügle nicht. Was sich nicht beim Trocknen entfaltet, glättet sich beim Tragen am Körper, lautet meine Devise. Man muss einfach alles eine Nummer zu klein kaufen. Ausser bei den Unterhosen, sonst kneifts im Schritt.

Das Frustrierende am Wäscheberg: Niemand gratuliert zum Aufstieg. Ein Gipfelwein um neun Uhr morgens ist auch keine gute Idee, auch wenn der Weinkeller gleich neben der Waschküche liegt. Und kaum ist ein Wäscheberg bezwungen, beginnt im Wäschekorb schon die nächste Alpenfaltung.

Zum Glück habe ich Sherpa Miele. Der macht die schwerste Arbeit. Und zwar richtig gut.

Auch wenn er jedes Mal ins Schleudern kommt.

(Bild Pixabay)

Youtube-Heimwerker

«Übrigens» in den «Freiburger Nachrichten» vom 14. Juni 2023

«Und du bist wirklich sicher, dass du das kannst?»

«Klar, Schatz, das ist kinderleicht. Du musst nur das Schwundstück schön mittig mit den Dreiviertelzoll-Doppelnippeln verdriemeln und die abkaloschierten Querkalotten dran flaunschen – und gut ist.»

«Aha. Und woher weisst du das so genau?»

«Ich hab ein tolles Tutorial auf Youtube gefunden. Schau dich schlau mit Raoul vom Bau.»

«Schau dich schlau mit Raoul vom Bau? Und du bist sicher, dass das kein Satireaccount ist?»

«Der ist total gut. Ausgebildeter Sozialpädagoge…»

«Aha.»

«… und begeisterter Handwerker, der kann das voll gut erklären.»

«Doppelnippel verdriemeln? Für mich tönt das, als hätte dieser Raoul selber ein Schwundstück zwischen den Ohren. Da hat ja Bob der Baumeister mehr Expertise.»

«Wenn du es besser kannst, darfst gerne du dir die Hände schmutzig machen.»

«Ich kanns nicht besser…»

«Eben.»

«… und darum würde ich einen Handwerker holen, der sich damit auskennt.»

«Und der 160 Franken verlangt, für etwas, das ich selbst in fünf Minuten erledigen kann? Gib mir mal den kreuzverschlitzten Senkschrauber.»

«Den was?»

«Den Dings da, mit den Dings vorne.»

«Diesen Dings?»

«Den anderen Dings. So, und jetzt einfach den Exzenterstopfen sauber reingrätschen. Hm. So rum? Oder anders? Egal, Hauptsache vermuffen, und verzinkte Unterlagscheiben drauf. Oder drunter? Am besten beides. Sodeli, siehst du? Passt wie Arsch auf Eimer.»

«Das ist aber nicht im Blei.»

«Das ist Kupfer, Schatz.»

«Dein Kupfer ist nicht im Blei, Scha-hatz, weil du es schräg reingeschwippt hast. Und wackeln tut es auch.»

«Ach das passt sich ein. Lieber ein bisschen Spiel, als gar keinen Spass, wie Raoul immer sagt.»

«Der Mann hat wirklich nicht mehr alle Zacken an der Fräse. Und da ragt ein Stück raus. Muss das so?»

«Das? Ja, also, das… einfach sauber wegflexen, und schön störts nicht mehr.»

«Jetzt tropft es.»

«Dann muss ich die Flanschmutter noch fester in die Unterziehnut friemeln. Wieso geht das nicht mit dem blöden Schraubschlüssel? Hast du mir mal den Hammer? Geht’s nicht mit Gewalt, geht’s mit mehr Gewalt.»

«Sagt das auch dieser Raoul? So eine Flachzange.»

«Aber recht hat er. Oder tropft es etwa immer noch?»

«Nein.»

«Siehst du.»

«Jetzt sprudelt es eher.»

«Fu**.»

«HaHa.»

«Ich finde das nicht lustig, tammisiechnomoll.»

«HaHa, der Haupthahn. Hat Raoul etwa nicht erwähnt, dass man den vorher abdrehen muss?»

«Fuuuuuuuu**!»

«Ich ruf schon mal den Sanitär an. Du kannst ja unterdessen die Überschwemmung wegmoppen. Übrigens, wenn du das so richtig profimässig machen willst – ich kenne da ein tolles Tutorial auf Youtube…»

Hund am Handy

«Übrigens» in den «Freiburger Nachrichten» vom 5. Mai 2023

Haben Sie sich schon mal überlegt, wie es wäre, wenn Ihr Hund sprechen könnte? Und ein Handy hätte? Der würde Sie stalken, das ist so sicher, wie Katzen Whiskas kaufen würden. Sie gehen nur mal schnell Brot holen und kaum wären Sie zur Tür raus – Bing – schon die erste Sprachnachricht. «Hallo, ich bins, dein Hund. Ich wollte nur fragen: Gehen wir heute noch in den Park? Wir waren heute noch nicht im Park und ich geh doch so gern in den Park. Ich liiiieeebe den Park. Gehen wir noch in den Park? Ja? Ja? Ja?»

Keine Minute später – Bing – die zweite Sprachnachricht. «Ich bins nochmal. Weisst du, wo meine Quietsche-Ente ist?»

Bing. «Meine Quietsche-Ente, wo ist die?»

Bing. «Die gelbe, die quietscht, wenn ich draufbeisse.»

Bing. «Gehen wir heute noch in den Park? Wir waren noch gar nicht im Park heute. (Schwanzwedelgeräusche)»

Sie hätten kaum Zeit, die Sprachnachricht abzuhören, Bing, kommt schon die nächste. «Juhui, gleich kommt der Pöstler… (wuff, kläff, bell, Schreie im Hintergrund, wuff, kläff, bell noch lautere Schreie)…»

Bing. «Gehe nicht in die Küche, wenn du nach Hause kommst. Okay?»

Bing. «Das in der Küche, das war nicht ich.»

Bing. «Die Pfütze ist vom Pöstler, diesem Schisshasen.»

Bing. «Draussen läuft grad Ayla vorbei. Die ist läufig, das riech ich bis hier.»

Bing. «Wieso hast du mich eigentlich kastrieren lassen (Winsel, Leckgeräusche).»

Bing. «Tut man das seinem besten Freund an?»

Bing. «Ich bin doch dein bester Freund?»

Bing. «Ich werde immer dein bester Freund sein, egal, was du mit mir tust. (Hechel, hechel)»

Bing. «Weisst du, wo meine Quietsche-Ente ist? Ich habe deine ganzen Sachen durchwühlt und da war sie nicht.»

Bing. «Hast du gewusst, dass das Sofa quietscht, wenn man fest reinbeisst?»

Bing. «Fast wie meine Quietsche-Ente.»

Bing. «Gehen wir jetzt noch in den Park? Ich freu mich so auf den Park.»

Bing. «Auch wenn ich schon Pipi war.»

Bing. «Aber nicht in der Küche. Das war der Pöstler.»

Katzen wären ganz anders. Katzen würden fünf Tage lang spurlos verschwinden und kein Lebenszeichen von sich geben. Und Ihre besorgten Nachrichten und Anrufe wären für die Katz, das Viech würde sie einfach ghosten.

Nach fünf Tagen dann ein knappes Whatsapp: «Du liebst mich also nicht? Oder wieso hängen noch keine Vermisst-Plakate im Quartier? Ich bin enttäuscht. Ich werde morgen zwischen sieben Uhr früh und 23 Uhr nach Hause kommen. Und du wirst mir frischen Lachs servieren, sobald ich reinkomme. Und sag dem Hund, er kriegt seine Quietsche-Ente erst wieder, wenn er endlich aufhört, mir ständig Fotos seines Lieblingsknochens zu schicken.»

Foto: Pixabay