Wenn Weltherrschaft, dann Löwenzahn

«Übrigens» in den «Freiburger Nachrichten» vom 7. Mai 2024

Die SVP hätte wohl keine Freude an meinem Gärtchen. Da gibt es keine sauber gezogenen Grenzen, dafür freier Pflanzenverkehr von Topf zu Topf. Viel Einheimisches zwar, aber kein Geranium. Und Eingewandertes. Ich bin da sehr liberal: Was wächst, darf bleiben. Auch Zwitter, die sich selbst bestäuben. Ganz divers eben. Also biodivers. Quasi LGBTQ+ im Beet: Löwenzahn, Günsel, Brennnessel, Taubenskabiose, Quendel und, und, und.

Auf den ersten Blick sieht mein Garten vielleicht chaotisch aus. Verwildert. Vernachlässigt gar. Dabei habe ich sehr wohl Pläne für meinen Garten, bloss hält sich der nicht dran. Zum Beispiel bepflanzte ich mal einen Trog mit verschiedenen Farnen und setzte dazwischen Zymbelkraut. Die Idee stammte aus einem Buch. Das Konzept funktionierte wunderbar – den ersten Sommer. Dann war der Wurmfarn so mächtig geworden, dass das zarte Zymbelkraut keine Chance mehr hatte. Zum Glück hatte es sich rechtzeitig aus dem Pflanztrog abgeseilt und in den Ritzen der Gartenplatten Asyl gefunden. Dort legt das Mauerblümchen jetzt jedes Jahr einen grandiosen Auftritt hin und verwandelt den Plattenweg in einen blühenden Laufsteg. Schöner hätte ich mir das nicht ausdenken können.

Wenn es um Gartengestaltung geht, hat die Natur eine blühende Fantasie. Darum sieht mein Garten auch jedes Jahr anders aus. Denn die meisten Pflanzen, die in den über 50 Töpfen, Kisten und Harassen auf der Terrasse wachsen, nutzen ihren Topf als Trampolin. Ungeniert hüpfen sie von Topf zu Topf, den kleinen Rasen haben sie schon längst zur Wildblumenwiese gemacht. Fröhlich streunen die Glockenblumen durch den Garten, und wenn irgendwo mal etwas eingeht, ist die Wilde Möhre schon da. Oder der Oregano. Wenn ich sehe, wo der heuer überall ins Kraut schiesst, weiss ich, was mir diesen Sommer blüht.

«Wie sieht das denn aus!», höre ich die Kirschlorbeerstutzerinnen und Terrassenkärcherer empört rufen. Dabei sind Faulheit und Gelassenheit doch die Königstugenden im Garten. Natürlich könnte ich Stunden damit zubringen, das Moos aus den Fugen zu kratzen und mit dem Flammenwerfer dem letzten Gänseblümchen den Garaus zu machen, das sich erfrecht, noch in der kleinsten Ritze wachsen zu wollen. Aber wieso? Selber ein Haus besitzen, aber dem genügsamen Ritzengrün die paar Quadratmillimeter missgönnen? Es hat doch Platz für alle.

Sowieso ist der Kampf auf Dauer nicht zu gewinnen. Wenn die Pflanzen nämlich eines können, dann die Welt erobern. Ritze für Ritze. Spalt für Spalt.

Und ich finde: Wenn Weltherrschaft, dann Löwenzahn.

Bild: Pixabay

Ein Gedanke zu „Wenn Weltherrschaft, dann Löwenzahn“

  1. Dein Garten gefällt mir, er gleicht dem (noch) unseren. Leider muss bei unseren Hauskäufern „Ordnung“ herrschen. Somit wird bald tabula rasa gemacht. Das tut schon ein bisschen weh… und übrigens die Geranie ist auch kein einheimisches Gewächs… sie blüht fast überall auf der Welt, häufig als Wildpflanze… und das sieht dann gar nicht bieder aus wie wir auf vielen Reisen festgestellt haben. Und dein neues Buch habe ich mit grossem Vergnügen gelesen. Danke !

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