«Übrigens» in den «Freiburger Nachrichten» vom 23. März 2021
Liebe Trauergemeinde, wir haben uns heute hier versammelt, um Abschied zu nehmen von Dr. med. dent. Karl Samuel Häcki-Grob, oder wie ihn Freunde und Neider gleichermassen zu nennen pflegten: Kari S. Wer hat ihn nicht gekannt? Sind wir nicht alle durchs Martyrium seiner dentalhygienischen Behandlung gegangen? Und wie viele von uns haben mit kieferorthopädisch nicht immer eindeutig indizierten Zahnstellungskorrekturen nicht nur unseren Kindern, sondern zuallererst ihm ein Lächeln ins Gesicht gezaubert?
Aber Kari S. war nicht nur Zahnheilkundler, sondern auch ein unverzichtbarer Eckzahn des sozialen Lebens in unserem Dorf. Seine Ehrenämter waren so zahlreich wie die gefürchteten Kreuzchen im Schulzahnbüchlein, mit denen er die fehlerhaften Zähne markierte wie der Förster die morschen Bäume im Wald. 20 Jahre lang sass er in unserem Gemeindeparlament. Dabei gehörte er nie zu denen, die das Maul weit aufrissen, das überliess er andern. Aber wenn seine Ratskollegen nach einer mehrstündigen Debatte auf dem Zahnfleisch gingen, konnte er noch hartnäckig nachbohren, um zur Wurzel des Problems vorzudringen. Das ging vielen auf die Nerven. Aber keiner verstand es so meisterlich wie Kari S., Brücken zu bauen und gegensätzliche Interessen mit der Spange des Konsenses zu amalgamieren. Trotz aller Kronen ein Demokrat durch und durch.
Immer wieder haben sich in Karis Leben auch Abgründe aufgetan. Dass er sich im Sommer 77 jeweils in der Schulpause mit grossformatigen Fotografien kariöser Zähne vor den Dorfkiosk stellte, um so die Seuche der Schlecksucht der Schuljugend auszurotten, verzieh ihm nicht nur die Kioskfrau Frau Süss zeitlebens nicht, sondern führte auch zur schmachvollen Abwahl Karis aus dem Parlament, kaum waren die vergraulten Kinder ins stimmfähige Alter gekommen.
Das schmerzte ihn, denn gerade die Jugend lag ihm am Herzen. Unvergessen seine Angebote für den Ferienpass: «Ungezähnte Briefmarken – Raritäten aus der philatelistischen Praxis» oder «Giftpilze am Geschmack erkennen». Ja, einen trockenen Humor hatte Kari S. Legendär, wie er als Golfclub-Präsident den neuen 18-Loch-Rasen mit den Worten einweihte, so viele Löcher auf einmal habe er in seiner ganzen Karriere noch nie gesehen.
Dass er nun in Ausübung seines liebsten Hobbys, des Bergsteigens, am Dent du Midi in den Tod stürzte, zeigt uns, dass unser aller Leben an einem zahnseidenen Faden hängt. Ja, auch für uns wird es einmal heissen: «Der Nächste bitte.»
Lieber Kari S., nun hast du dein letztes Loch gefüllt. Wir werden die Lücke, die du hinterlässt, schmerzlich vermissen.