Schlechte(s) Karma

«Übrigens» in den Freiburger Nachrichten vom 4. Oktober 2016
Man macht ja entwürdigende Sachen, um bei der Krankenkasse Geld zu sparen. Zum Beispiel das Telmed-Modell. Bevor man zum Arzt geht, ruft man die medizinische Hotline an und lässt sich beraten. Das funktioniert prima. Solange man gesund ist. Im Krankheitsfall aber macht man sich zum Affen. «Mailen Sie uns doch bitte ein Foto Ihres Halses», beschied mir die nette Dame, als ich mich einmal wegen starken Halsschmerzen meldete. «Von aussen?», fragte ich (zugegeben, ich bin an Telefon manchmal etwas begriffsstutzig). «Von innen», antwortete sie. «Mit dem Handy geht das ganz gut.»

Es nützte nichts, dass ich ihr erklärte, meine Kinder litten an einer ärztlich bestätigten bakteriellen Angina und müssten Antibiotika schlucken, und ziemlich sicher sei es bei mir dasselbe. Also stellte ich mich vor den Spiegel, drückte mit einem Löffel die Zunge herunter und zielte mit dem Handy in meinen entzündeten Schlund. Das Ergebnis ähnelte einem Bild von Rothko: ein rot-oranger Farbklecks. Hübsch anzusehen, aber für eine medizinische Ferndiagnose untauglich, beschied mir die Dame kurz darauf am Telefon und schickte mich zum Arzt. Wo ich meine Antibiotika bekam.

Seitdem graut mir vor dem Moment, wo ich ein ernsthaftes medizinisches Problem habe. Bestimmt würde die Telmed-Frau mir dann eine PDF-Anleitung für einfache chirurgische Eingriffe nach Hause schicken (Sterilisieren Sie ein scharfes Küchenmesser in der Mikrowelle).

Aber zum Glück bietet meine Krankenkasse jetzt ein neues tolles Sparmodell an: die
Schrittentschädigung. Für jeden Tag, an dem ich 10 000 Schritte gehe, erhalte ich sage und schreibe 40 Rappen Prämienrabatt. Entwürdigend, ich weiss. Aber diesmal wollte ich der Krankenkasse ein Schnippchen schlagen. Nachdem ich die Datenschutzerklärung geflissentlich ignoriert hatte, hängte ich den Schrittzähler nämlich unserer Nachbarhündin ans Bein: Karma, eine Labradordame. Lebhaft, ständig draussen unterwegs, und obendrein vegan. Ihre Besitzerin lebte früher nämlich in einem indischen Ashram. Daher auch der Name.

Das ging eine Weile ganz gut. Bis meine Krankenkasse anrief: Der Vertrauensarzt wolle sich mit mir über das medizinische Wunder meiner Schwangerschaft unterhalten. Und ausserdem liege in der Apotheke eine Packung Flohpulver für mich bereit. Karma, diese Hippie-Bitch, hatte auf ihren ausgedehnten Spaziergängen nicht nur Krabbeltiere eingefangen, sondern sich auch begatten lassen.

Vor Schreck verschluckte ichmein iPhone. Das Blöde ist, ich habe keine Mikrowelle. Aber vielleicht werden diesmal wenigstens die Bilder etwas.