Reichtumsbetroffene

Es scheint undenkbar, dass es so etwas in einem Land wie der Schweiz überhaupt gibt. Und doch ist es traurige Realität: Auch bei uns leben immer mehr Reichtumsbetroffene, also Menschen, die oberhalb der Anständigkeitsgrenze ein Leben in Reichtum fristen müssen; versteckt in umzäunten Anwesen, die sie nur in Limousinen mit dunklen Scheiben verlassen. In ihrer Not sehen sie oft keinen anderen Ausweg, als Bilder von Albert Anker zu sammeln, eine Villa mit siebzehn Badezimmern und Seeanstoss zu kaufen oder sich schlimmstenfalls sogar als DJ zu prostituieren und auch nach 14 Uhr im Morgenmantel zu posieren.

Es sind Schicksale, die verstören. Und ein grelles Licht werfen auf ein Problem, das noch zu oft totgeschwiegen wird. Dabei sind die Zahlen erschreckend: Schätzungsweise 810’000 Millionäre leben in der Schweiz und 135 besonders stark reichtumsbetroffene Milliardäre. Die Dunkelzimmer dürfte hoch sein. Denn viele Reichtumsbetroffene schämen sich dafür, reich zu sein. Aus Scham verbergen sie ihren wahren Reichtum vor der Steuerbehörde. Da offenbaren sich einmal mehr schonungslos die Schwächen und Ungerechtigkeiten unseres Systems, das zwar Geld hat, um Detektive auf Sozialhilfeempfänger anzusetzen, den wirklich hilfsbedürftigen Reichtumsbetroffenen aber nicht bei der korrekten Besteuerung unter die Arme greift.

Besonders belastend ist für viele Reichtumsbetroffene, dass sie sich selbst die Schuld an ihrem Reichtum zuschreiben, was es zusätzlich erschwert, aus der Negativspirale von Steueroptimierung, Aktiengewinnen und Selbsthass herauszufinden. Dabei ist in der Regel nicht das eigene Unvermögen Grund für ein Abgleiten in den Reichtum, sondern die Eltern. Denn das ist das Schlimme: Reichtum vererbt sich. Viele Kinder werden in Reichtum hineingeboren und schaffen es trotz exzessivem Konsum, ausschweifendem Lebenswandel und gezielten Fehlinvestitionen nicht, sich aus dieser Reichtumsfalle zu befreien. Nicht umsonst sagt das Sprichwort: Erben heisst verderben.

Neben dem schockierenden Kinderreichtum (der paradoxerweise bei weniger kinderreichen Familien ausgeprägter ist), ist auch Altersreichtum weit verbreitet, während alleinerziehende Frauen zum Glück kaum je reichtumsbetroffen sind.

Wie also können wir Reichtumsbetroffenen helfen? Natürlich braucht es eine Erbschaftssteuer, die diesen Namen verdient, und eine Steuer auf Finanztransaktionen. Vor allem aber verdienen Reichtumsbetroffene unser Verständnis und unser Mitgefühl. Auch wenn sie manchmal etwas streng nach Kröten riechen.