Postkartengrüsse aus dem Büro

Postkarte
«Übrigens» in den Freiburger Nachrichten vom 14. Juli 2015

Mit Postkarten verhält es sich ja wie mit der Liebe: Wenn nichts zurückkommt, gibt selbst der hartnäckigste Verehrer irgendwann auf. Deshalb bekomme ich immer weniger der bunten Feriengrüsse. Dabei liebe ich Postkarten: Mal was anderes im Briefkasten als nur Rechnungen – und persönlicher als Ferienföteli auf Facebook.

Aber eben: Die netten Menschen, die mir schreiben, kriegen fast ausnahmslos einen Korb von mir. Denn ich bin ein ausgesprochener Ferienpostkartenschreibmuffel. Denn wenn ich schon mal Urlaub habe, will ich den ganzen Tag durch fremde Städte streifen, bis mir der Kopf brummt vor lauter Kirchen und Kunstwerken. Oder exotische und furchtbar leckere Dinge kosten, von denen ich bisher nicht einmal den Namen gekannt habe. Oder–realistischerweise–halt den ganzen Tag mit den Kleinen im Planschbecken sitzen und Glace schlecken. Aber sicher nicht Postkarten schreiben.

Aber in diesem Jahr wird das anders. Allen, denen ich ferienpostalisch bisher die kalte Schulter gezeigt habe, erhalten dieses Jahr eine Postkarte von mir. Freilich nicht aus den Ferien, sondern aus dem Büro.

Ja, ganz recht, aus dem Büro. Probieren Sie es ruhig selber aus. Fotografieren Sie zum Beispiel Ihren Arbeitsplatz oder die Aussicht aus dem Bürofenster–je trostloser, desto besser. Machen Sie ein Foto von den menschenleeren Gängen im Betrieb (sind ja alle weg), oder lichten Sie Ihr Bürohochhaus von aussen ab (dann können Sie nachher mit Kugelschreiber Ihr Bürofenster ankreuzen und draufschreiben: «Hier arbeite ich!»).

Dann lassen Sie Postkarten mit Ihrem Sujet herstellen. Im Internet finden Sie Dutzende Anbieter, die das schnell und günstig erledigen. Und dann kanns losgehen.

Schreiben Sie ein paar nette Zeilen auf die Karte. Besonders originell müssen die nicht sein, das sind Postkarten ja selten. Wie wär’s zum Beispiel mit: «Bei 35 Grad im unklimatisierten Büro zu sitzen, erspart einem den Gang in die Sauna. Und man erhält erst noch Lohn dafür. Und weil der Chef in den Ferien ist, kann ich früher Feierabend machen und niemand meckert. Liebe Grüsse.» Oder machen Sie eine Bemerkung übers Kantinenessen, das kommt auch immer gut an.

Dann schicken Sie die Karten an Freunde, Verwandte oder Arbeitskollegen. Wenn Sie deren Ferienadresse kennen, umso besser. Die werden Augen machen, wenn sie im Hotel Ihre Postkarte aus dem Büro bekommen.

Danach können Sie guten Gewissens in die Ferien verreisen und müssen keinen Gedanken mehr ans Postkartenschreiben verschwenden. Ganz bestimmt werden Sie viele Reaktionen bekommen, vielleicht sogar Postkartengrüsse aus dem Büro.