«Übrigens» in den Freiburger Nachrichten vom 6. November 2015
Seit Kurzem versuche ich mein Glück als Demotivationstrainer. Journalismus hat ja auf Dauer keine Zukunft. Höchste Zeit also, sich beruflich neu zu orientieren. «No, you can’t!», lautet mein Motto – und ich hab damit den Nerv der Zeit getroffen. Übermotiviertheit ist ja die Volkskrankheit Nummer eins.
Sie glauben gar nicht, wie viele Chefs sich deswegen an mich wenden. «Meine Leute sind zu engagiert», klagen sie, «freiwillige Überstunden, tolle Ideen am laufenden Band. Wie soll ich das bloss dem Verwaltungsrat erklären? Können Sie mir helfen?» Ich setze dann jeweils ein ernstes Gesicht auf. «An Ihrer Stelle würde ich mir keine allzu grossen Hoffnungen machen.» Das wirkt. Nach diesem Satz schlucken die Chefs ohne Widerrede meine exorbitante Honorarforderung.
Und dann lege ich los. Mein Demotivationstraining beginnt ganz oben, beim Chef. Denn auf den Teppichetagen greift seit Jahren eine Kultur des Lobes um sich. Eine Unsitte. Ständig werden die Mitarbeiter gelobt, gefördert, gewertschätzt und gehätschelt–kein Wunder, dass dabei die Motivation ins Kraut schiesst.
Die Bosse lernen deshalb bei mir erst einmal wieder, wie man Untergebene ignoriert, gängelt und öffentlich abkanzelt. «No, you can’t!»
Dann ist das mittlere Kader an der Reihe. Denn damit’s mit der Demotivation klappt, müssen sich alle tüchtig ins Zeug legen. «Mosern, meckern, miesmachen» ist zum Beispiel ein Seminar, das gerne gebucht wird. Oder ich trainiere die Leute im Schwarzsehen und im Schlechtreden (sich und andere). Probieren Sie es ruhig selber einmal aus. Stellen Sie sich am Morgen vor den Spiegel und sagen dabei zehn Mal laut «Ich schaff das nicht»–und schon ist jeder Anflug von Motivation im Keim erstickt. «No, you can’t!»
Wenn das alles nichts hilft, lade ich die ganze Belegschaft zum Team-Destroying-Event: Zum Beispiel Riverrafting für die ganze Abteilung, aber die Schwimmwesten reichen nicht für alle– da gehen der Teamgeist und die Begeisterung im Nu bachab. Und zum Dessert kriegt jeder einen Unglückskeks mit einem passenden Ablöscher-Spruch. «No, you can’t!»
Übrigens, ganz unter uns: Ich coache jetzt auch Gottéron. Völlig aufgelöst sass die Klubleitung vor ein paar Wochen in meinem Büro. «Was sollen wir nur tun? Unsere Jungs sind einfach zu motiviert, die gewinnen fast jedes Spiel. Richtig unheimlich.» Ich seufzte tief. «An Ihrer Stelle würde ich mir keine allzu grosse Hoffnung machen», sagte ich, worauf der Finanzchef prompt das Scheckheft zückte.
Tja, und jetzt durchlaufen Mannschaft und Management bei mir ein intensives Demotivationstraining. Wenn die Drachen also Ende Saison wieder Tabellenschlusslicht sind, wissen Sie nun, wem Sie dafür zu danken haben.
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