Savon d’Alep – Was geht mich Syrien an?

«Übrigens» in den «Freiburger Nachrichten» vom 21. April 2017

Mein Duschmittel kann mehr Latein als ich. Lesen Sie mal die Inhaltsstoffe durch. So viel Vergil, nur damit wir nicht stinken. Und am Schluss geht die ganze klassische Chose den Bach runter. Wahnsinn. Dubiose Chemikalien, viel Plastikmüll: Vor kurzem sagte ich deshalb meinem Duschgel Adieu und kaufte mir stattdessen eine Duschseife. «Aber bitte ohne Palmöl», sagte ich in der Apotheke, denn «Sodium Palmate pfui est», wie der Lateiner zu sagen pflegt. Die Verkäuferin reichte mir einen unansehnlichen ockerfarbenen Mocken mit arabischen Schriftzeichen drauf. 78 Prozent Olivenöl, 12 Prozent Lorbeeröl, Natronlauge. Simpler geht Seife nicht.

Erst zu Hause las ich, was auf der Packung stand: «Savon d’Alep. Fabriqué en Syrie». Und auf einmal war der Krieg ganz nah. Hautnah.

Ich sah die Fernsehbilder des umkämpften Aleppos vor mir: Helfer, die tote Kinder aus den Trümmern zerren; Spitäler und Wohnviertel, auf die Assad hatte Fassbomben werfen lassen.

Sechs Jahre geht das Morden in Syrien jetzt schon. 400 000 Menschen getötet, Millionen auf der Flucht. Wir sehen und lesen es täglich. Und wir nehmen es zur Kenntnis. Zucken mit den Schultern. «Schlimm, aber was will man machen?» Blättern um, zappen weiter.

Jeden Morgen seife ich mich mit der Aleppo-Seife ein und frage mich, was wohl aus dem Seifensieder geworden ist, der sie nach jahrhundertealtem Rezept gekocht hat. Ob er in der zerbombten Stadt ums Leben gekommen ist? Sitzt er in einem von Assads Folterknästen? Oder war vielleicht er derjenige, der die Giftgaskanister ins Kampfflugzeug geladen hatte, das dann Kurs nahm auf Chan Scheichun?

Ich stehe unter der Dusche und spüre Wut und Hilflosigkeit angesichts der Gräuel in Syrien. Ich habe ja keine Marschflugkörper, die ich abfeuern kann. Und einen syrischen Flüchtling aufnehmen? Das liegt leider auch nicht drin. Wir haben ja auch nur eine ­Dusche.

Jeden Morgen wasche ich mich mit Aleppo-Seife, schön geschmeidig macht sie die Haut, aber ich werde das Gefühl nicht los, schuldig zu sein. Wenn wir von dem Leiden wissen und nichts dagegen tun, oder zu wenig (und wie viel ist genug?) – machen wir uns dann nicht mitschuldig wegen unterlassener Hilfeleistung?

Wie reagieren auf das Leid? Spenden? Sich auf Facebook per Mausklick solidarisieren? Mit dem Papst beten? Mit warmen Decken am Strand in Italien auf die durchnässten Bootsflüchtlinge warten? Ich weiss es nicht. Wie stellt man es an, nicht abzustumpfen? Und wie hilft man so, dass die Hilfe wirklich hilft – und nicht nur das Gewissen beruhigt?

Ich wünschte, ich hätte eine Antwort. Aber ich bin ja schon beim Duschen mit meinem ­Latein am Ende.

Übrigens, dieser Text erscheint auch im Blog von «aufbruch», der unabhängigen Zeitschrift für Religion und Gesellschaft.

Ikeanisch

«Übrigens» in den «Freiburger Nachrichten» vom 12. April 2017

Zügeln konfrontiert einen immer wieder mit den fundamentalen Fragen des Lebens. Zum Beispiel: Wie viele Inbusschlüssel von Ikea braucht der Mensch? In meinem Fall sind es 23, ich habe beim Kistenpacken nachgezählt. Viele der Pressspanmöbel, die ich damit einst zusammengeschraubt habe, sind längst entsorgt, zu Fleischbällchen verarbeitet und im Ikea-Restaurant an übellaunige Kinder verfüttert worden, die während der Einkaufstour der Eltern im Kinderparadies bis auf den Grund des Bällebads getaucht sind und jetzt die Haare voller fremder Popel haben. Das Geheimnis liegt übrigens in der Sosse.

Die Möbel sind weg, aber sämtliche Inbusschlüssel seit meiner ersten Wohnung vor 20 Jahren sind noch da. Man kann über den blau-gelben Möbelriesen sagen, was man will, aber die Inbusschlüssel, die halten.

War es eigentlich auch die Ikea, die mit der Unsitte angefangen hat, Möbeln Namen zu geben? Früher war ein Stuhl ein Stuhl ein Stuhl. Heute heisst er wie du und ich. Neulich sass ich bei Freunden am Esstisch, wartete auf das Dessert und hörte es aus der Küche murmeln: «Beim Stefan sind alle Schrauben locker, der machts nicht mehr lange.» Erst als mein Stuhl mit Getöse alle viere von sich streckte, merkte ich, dass meine Freunde über die maroden Sitzmöbel gesprochen haben und nicht über mich.

Und wer sein Ehe-Lotterbett beim Schweden kauft, dem gerät jedes erotische Tête-à-tête unfreiwillig zum flotten Dreier – denn «Hemnes» ächzt mit.

Überhaupt, wer denkt sich diese Möbelnamen aus? Samla, Knarra, Pappis, Godmorgon. Sitzen irgendwo in Schweden ein paar verkrachte Schriftsteller in einem Grossraumbüro am Pult Arkelstorp, bechern den ganzen Tag Glögg und machen sich einen Spass draus, Namen zu erfinden, die tönen, als würde ein betrunkener Elch eine Schreibmaschine traktieren? Und hat die UNO Ikeanisch inzwischen als offizielle Sprache anerkannt? Aber ich will nicht nur meckern. Es steckt ganz viel poetisches Potenzial in so einem Ikea-Katalog. Man muss es nur sehen. Eine Kostprobe gefällig?

Fakse Näckten

Fakse Näckten Läckö

Knubbig, Snuttig, Himmelsk

Läckö Fakse Näckten

Möckelby Sinnelig?

Billsta Tingby Sinnelig?

Rydebäck? Morliden?!

Oxberg!!

Falls Sie das jetzt nicht verstanden haben. Es geht darin um eine Tischleuchte (Sinnelig), die in unerwiderter Liebe zu einem Langflor-Teppich namens Fakse entbrannt ist. Und wenn Sie finden, das Poem komme auf gar wackligen Versfüssen daher – ich hätte da noch ein paar Inbusschlüssel.

Auf zur Hasenjagd

«Übrigens» in den «Freiburger Nachrichten» vom 6. April 2017

Schenken Sie Ihren Kindern Spielzeug zu Ostern? Auch nicht? Da bin ich beruhigt. Denn neulich flatterte ein seltsamer Prospekt ins Haus. «Wir Manor-Hasen wissen, was Kinder wünschen», stand vorne drauf, und drinnen dann seitenweise Spielzeug. Das irritierte mich gewaltig, weil ich, naiv wie ich bin, immer dachte, Kinder wünschen sich zu Ostern den Schoggihasen-Zuckerschock und den Adrenalinkick beim Eiersuchen in der Tiefgarage. Und im übrigen reichen Weihnachten und Geburtstag doch eigentlich völlig aus, um so ein durchschnittliches 15-Quadratmeter-Kinderzimmer bis zum Schuleintritt mit Spielsachen zuzumüllen.

Aber Spielzeug zu Ostern? Ich machte mich schlau und musste merken: Das ist der neue Trend. Seit einigen Jahren machen das alle. Sagen die Warenhäuser. Damit die, die es noch nicht machen, ein schlechtes Gewissen bekommen und auch mitmachen. So läuft der Hase. Voll die krumme Tour. Als hätten wir Eltern nicht schon genug damit zu tun, unsere Kinder vor den fiesen Anschlägen des Konsumterrors zu schützen: vor den debil grinsenden Kackehäufchen mit Saugfuss an der Coop-Kasse und den verlogen-treuherzig dreinschauenden Hasenbabys in der Migros.

Ostern ist das neue Weihnachten und die Spielzeugindustrie macht tüchtig Kasse. Aber worum ging es bei Ostern nochmals? Irgendwas mit Tod und Auferstehung. Star-Wars-Lego kamen jedenfalls nicht vor. Wenn schon, müsste man an Ostern alle weggelegten Spielsachen aus dem Keller holen und zu neuem Leben erwecken. Von wegen Auferstehung. Aber das ist natürlich Blasphemie, eine Versündigung wider das erste Gebot des Kapitalismus «Du musst immer neue Dinge kaufen – auch wenn du schon alles hast».

Ich weiss nicht, wie es bei Ihnen ist, aber mir geht diese ganze Osterschenkerei gehörig auf die Ostereier. Jedenfalls werde ich das System mit seinen eigenen Waffen schlagen. Dazu kaufe ich mir die «Nerf Accustrike Alphahawk» aus dem Osterspielzeugkatalog. Bis am 8. April gibts die übrigens mit 30 Prozent Rabatt, aber das nur nebenbei. Falls Sie keine Kinder haben: Die Nerf Accustrike Alphahawk ist eines dieser Plastik-Schiesseisen mit Serienfeuerfunktion, die von der amerikanischen Waffenlobby entwickelt wurden, um schon Fünfjährige auf den Geschmack am Töten zu bringen. Aber in lebensfrohem Orange.

Damit lege ich mich dann auf die Lauer. Und wenn so ein Manor-Hase angehoppelt kommt, dann pfeffere ich dem ein Magazin hinter die Löffel.

Und auch wenn Ostern ist: Der steht dann nicht wieder auf von den Toten.

Das Liebesleben der Züge

«Übrigens» in den «Freiburger Nachrichten» vom 28. März 2017

«Papi, wo schlafen eigentlich nachts die Züge?», fragt mein Sohn, eingekuschelt in die Decke, und schnäuzt sich seine Schnuddernase. «Im Gleisbett», antworte ich, schnell wie ein TGV, denn ich weiss: Kinder sind wie Donald Trump, die simple Wahrheit erscheint ihnen oft unglaubwürdig; je alternativer die Fakten, desto besser. «Und wenn sie nicht einschlafen können, dann zählen sie Schwellen. Tschägeräng, tschägeräng, tschägeräng», fahre ich fort.

«Jede Nacht liegen sie wach und zählen Schwellen und träumen von Anschlusszügen. Denn eins musst du wissen, alle Züge sind einsam. Ewige Singles, auch wenn sie Flirt heissen. Darum fürchten die Züge auch die Nacht. Tagsüber haben sie den Taktfahrplan, das vertreibt die düsteren Gedanken. Aber nachts sind da nur die Einsamkeit – und die Schwellen. Tschägerang, tschägeräng, tschägeräng. Darum heisst es übrigens auch Schwellenangst.»

«So sehr die Züge auch möchten, sie kommen einfach nicht zusammen, immer weichen sie einander aus. Und wenn doch, dann funkts nicht nur, dann krachts gleich und dann ist die Romantik auch mause. Darum haben Züge auch keinen Verkehr, nicht mal die Triebwagen kommen zum Zug. Voll der unbediente Bahnhof. Und Autostimulation kann so ein Zug ja auch vergessen.»

«Darum auch diese Geräusche, wenn sich die Zugstüren öffnen, dieses ‹Mmppfffiu› – das ist nicht etwa die Türhydraulik, das sind die frustrierten Seufzer der unerfüllten Lust und der ungestillten Sehnsucht nach Liebe. Nur manchmal, wenn sich so eine kraftstrotzende Diesellok an einen Zug heranmacht, um ihn zu rangieren, dann geht ein Ruck durch den Zug, ein erwartungsvolles Schaudern von der Lok bis zum hintersten Wagen, wenn zärtlich Puffer auf Puffer trifft. Willig lassen sie sich dann abschleppen, träumen von einem Leben als Doppelkomposition und landen doch immer nur auf dem Abstellgleis, wo sie einsam Schwellen zählen. Und einzig der Prellbock spendet etwas Trost.»

Ich habe mich in Fahrt geredet und merke erst jetzt, dass meine Geschichte entgleist ist und nicht mehr ganz jugendfrei. Aber der Sohnemann ist zum Glück schon längst eingeschlafen, mit seiner leicht verschnupften Nase, und sein Atem tönt wie das zufriedene Schnauben einer kleinen Dampflokomotive.

Karo

«Übrigens» in den Freiburger Nachrichten vom 8. März 2017

Ich stehe mit meinem Zebra an der Migros-Kasse. Ich habe es am Abend zuvor in der Tombola des Samaritervereins gewonnen. Fragen Sie mich nicht nach Details. Zu viele Bloody Marys an der «Amputier-Bar». Totaler Filmriss. Aber irgendwie hat Freddy, der Samariterpräsident, sich im Darknet ein Zebra-Ei besorgt und es dann mit der Heizdecke seiner Frau ausgebrütet. Aber dann passten die Streifen nicht zu den Tapeten, und deshalb musste Karo weg. Karo, was für ein bescheuerter Name für ein Zebra, denke ich, und lege tonnenweise Grünzeug aufs Band. Karo hat Hunger. Mit abgelöschtem Blick zieht die Kassiererin die Ware durch. Piep-piep-piep. Dann zückt sie ihren Handscanner und zielt aus der Hüfte auf Karo. Piep.

«Das macht 9465 Franken 55. Haben Sie die Cumulus?»

«Wie viel?»

«9465.55! Vielleicht ein Fünffach-Bon?»

«Was ist denn so teuer?», frage ich entgeistert.

«Der Plasmafernseher.» Sie zeigt auf Karo.

«Das ist ein Zebra.»

Piep. Wieder scannt sie Karo. «Die Kasse sagt Plasmafernseher.»

«Es ist aber ein Zebra», beharre ich.

«Dann muss ichs von Hand eintippen. Können Sies aufs Band heben?»

Das Zebra schüttelt vehement den Kopf.

«Ich hab es in der Tombola gewonnen. Der Samariter-Freddy hat es eigenhändig ausgebrütet.»

«Haha», lacht die Verkäuferin, nachdem sie erst einen Moment überlegt hat. «Der war gut. Zebras schlüpfen doch nicht aus Eiern, die vermehren sich durch Pollen. Daher auch die Streifen, um die Bienen anzulocken.»

Das tönt plausibel. Trotzdem nehme ich mir vor, das später zu googeln.

Hilflos tippt die Verkäuferin auf ihrer Kasse rum. «Zebra, ist das Food oder Non-Food?»

«Kommt drauf an, ob Sie Löwe sind.»

«Ich bin Waage», sagt die Frau und schaut unentschlossen drein.

«Vielleicht Kolonialwaren?», schlage ich vor.

«Fehlanzeige.»

Langsam dämmert es mir, dass das Zebra und ich keine Zukunft haben. Also wechsle ich die Taktik.

«Ich möchte den Plasmafernseher zurückgeben», sage ich und zeige auf Karo.

«Was ist denn damit?»

«Er zeigt nur schwarz-weisse Streifen. Auf der Packung stand aber Farbfernseher.»

«Diese Chinesen wieder. Seit die Afrika gekauft haben, passieren solche Sachen ständig», sagt die Frau und zückt ein Formular: «Adresse bitte und die Kaufquittung.» Ich kritzle Freddys Namen hin und reiche ihr meinen Blutspendeausweis, den sie geistesabwesend ans Formular heftet. Dann gibt sie mir 8500 Franken raus.

Fluchtartig verlasse ich die Migros. «Ein Grosswildjäger an Kasse fünf, bitte», höre ich noch über den Lautsprecher.

Dann wache ich auf. Mit einem riesigen Kater. Er ist gestreift. Ich nenne ihn Karo.

Neue Nachbarn

«Übrigens» in den Freiburger Nachrichten vom 21. Februar 2017

Lauter neue Nachbarn in unserm Haus. Unter uns lebt neuerdings die Angst; unangenehm, wie sie sich von hinten anschleicht, wenn ich in der Waschküche vor der Maschine knie, mich anstupst, dass ich mir vor Schreck den Kopf stosse, und dann sagt: «Ihre Türe ist nicht abgeschlossen, hab’s kontrolliert. Also ich an ihrer Stelle, man weiss ja nie, was alles für Gesindel durchs Haus schleicht heutzutage.» Der Hass aus dem Erdgeschoss ist auch nicht besser. Seine Tür ist immer einen Spalt breit offen, und er zischt einem seine Beleidigungen entgegen, kaum hat man das Haus betreten, und seinen fauligen Atem riecht man noch, wenn man schon die Treppe hoch ist.

Trotzdem lud ich die neuen Nachbarn zum Apéro ein. Erst mal kennenlernen, vielleicht sind die ja gar nicht so, hoffte ich. Und so sassen eines Abends die Angst und der Hass auf meinem Sofa. Die Toleranz von gegenüber hatte ich ebenfalls eingeladen, die kann es mit allen gut. Aber statt der Toleranz tauchte ihre hässliche Cousine auf, die Intoleranz. «Die Toleranz hat ein Burnout, jetzt wohne ich hier», sagte die Intoleranz und kickte meine Katze vom Sessel. «Ich kann Katzen nicht ausstehen.» «Und ich hasse Wasabinüsschen», sagte der Hass. «Und Menschen, die Wasabinüsschen aufstellen.» «Was machen Sie denn beruflich?», versuchte ich, dem Gespräch eine neue Richtung zu geben. «Ich bin in der Politik», sagte die Angst. «Asoziale Medien», sagte der Hass. «Geht dich einen feuchten Dreck an», meckerte die Intoleranz.

Danach überlegte ich mir auszuziehen. Stattdessen gründete ich eine WG. Jetzt schläft die Liebe auf meinem Sofa und der Verstand redet der Toleranz in der Küche Mut zu. Auch einen Schwarzen habe ich aufgenommen, den Humor. Und seither mischen wir unser Haus gründlich auf.

Die Liebe schiebt dem Hass Pralinen durch den Türschlitz, also After Eight, einzeln, mehr passt nicht durch, aber der Hass wird von Tag zu Tag leiser, und ich glaube fast, er putzt sich neuerdings die Zähne. Der Verstand hängt Zettel ins Treppenhaus: «Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte.» Und darunter: «Die Verwaltung». Der Intoleranz, die etwas beschränkt ist, legt er eine vereinfachte Version in den Briefkasten: «Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu.»

Und der Humor? Der starrt der Angst so lange ganz ernst in die Augen, bis sie lachen muss. Ausserdem hat er herausgefunden, dass sie furchtbar kitzlig ist, und zwar an Stellen, ich sag nur Uiuiui.

Das Ganze ist anstrengend, aber es funktioniert, und meine WG-Genossen haben Lust auf Couchsurfing. Wenn Sie also noch ein Plätzchen frei haben in Ihrem Heim, Hirn und Herz – ich kann die Truppe wärmstens empfehlen.

Polit-Fasnacht

«Übrigens» in den Freiburger Nachrichten vom 7. Februar 2017

«Als was gehst du eigentlich an die Fasnacht?» – «Ich wollte mich als Trump verkleiden. Aber die orangene Schminke ist schon ausverkauft.» – «Dann geh halt als Obama.» – «Spinnst du? Als Weisser das Gesicht schwarz anmalen – das ist Blackfacing, voll rassistisch.» – «Und Trump ist etwa nicht rassistisch?»
«Wie wär’s dann mit Melania Trump?» – «Als Mann in Frauenkleidern? Ich weiss nicht so recht.» – «Du meinst, damit verletze ich die Gefühle von Frauen im Allgemeinen und von Transvestiten und Präsidentengattinnen im Speziellen?» – «Nein, aber das ästhetische Empfinden. Bei deinen Beinen.» Polit-Fasnacht weiterlesen

Der Asket und der Milliardär

«Übrigens» in den Freiburger Nachrichten vom 24. Januar 2017

«Grüss Gott, Bruder Klaus. Wohin des Weges?» – «Nach Herrliberg.» – «Und was willst du dort?» – «Die SVP will im August meinen 600. Geburtstag feiern. Unten im Ranft.» – «Schön.» – «Nichts ist schön. Die verstehen mich kreuzfalsch. Darum will ich sie tüchtig ins Gebet nehmen.» – «Aber du bist doch ganz auf deren Linie mit deinem ‹Machet den Zun nit zu wit!›» – «Schöner Satz. Könnte von mir sein.» – «Wie bitte?»

«Den hat mir der Luzerner Gerichtsschreiber Hans Salat in den Mund gelegt. 50 Jahre nach meinem Tod, in einer antireformatorischen Kampfschrift – um Stimmung zu machen gegen das reformierte Genf, das die Nähe zur Eidgenossenschaft suchte. Dabei war ich nie für Abschottung. Zum Frieden habe ich den Eidgenossen geraten, als sie sich in den Haaren lagen. Und Frieden haben sie gemacht, in Stans 1481: neue Verträge unterschrieben und Freiburg und Solothurn in ihren Bund aufgenommen.»

«Dann haben wir den ganzen neutralitätspolitischen Salat wegen – Salat?» – «Genau. Dabei wäre ‹Machet den Zun nit zu wit!› eine schöne Metapher. Zu meiner Zeit gab es die Allmende, die von allen genutzt wurde. Aber dann begannen die Leute, Teile davon einzuzäunen und für sich alleine in Anspruch zu nehmen. ‹Machet den Zun nit zu wit›, das würde dann heissen, übertreibt es nicht mit eurem Streben nach Macht und Reichtum, tragt Sorge, dass niemand zu kurz kommt.»

«Und das willst du in Herrliberg sagen?» – «Es ist doch eine verkehrte Welt, wenn ein Milliardär einen Asketen vor seinen politischen Karren spannen will. Aber in diesem Fall sitzt der Ochs auf dem Bock.»

«Was hast du da für einen Stein?» – «Hast du in der Schule nicht aufgepasst? Das ist mein Kissen.» – «Was hast du damit vor?» – «Kissenschlacht. Um meiner Botschaft Nachdruck zu verleihen.» – «Ein ziemliches Totschlagargument.» – «War ja auch nur ein Scherz. Ich probier’s lieber mit Speck, Alpkäse und Brot.» – «Wie bitte?» – «Glaub mir, mit Hunger kenn ich mich aus. Man erlebt die abgefahrensten Visionen. Aber es gibt einen himmelweiten Unterschied zwischen Mystik und Mist. Wie sich der Herr in Herrliberg als Erlöser gebärdet – der muss auf einem ganz schlechten Hungertrip sein.»

«Was schreibst du da eigentlich die ganze Zeit?» – «Ich mach eine Kolumne. Über dich, Bruder Klaus.» – «Zeig mal her. Du bist also auch nicht besser. Du benutzt mich, um deinen Miteidgenossen eins auszuwischen.» – «Aber, das ist doch ganz in deinem Sinn?» – «Weiss Gott, woher ihr alle zu wissen glaubt, was in meinem Sinn ist. So vieles habt ihr schon versucht mir in die Schuhe zu schieben und dabei überseht ihr alle das Wesentliche: Ich bin barfuss unterwegs.»

Inspiration für diese Kolumne fand ich übrigens im anregenden «Bruder-Klausen-Blog» von kath.ch, insbesondere im Beitrag von Roland Gröbli zum Zaun, den es nicht zu weit zu machen gelte.

Auch empfehlenswert ist Pirmin Meiers Biografie «Ich Bruder Klaus von Flüe».

Schönes neues Heim

«Übrigens» in den Freiburger Nachrichten vom 21. Januar 2017

Meine Zahnbürste betrügt mich. Sie bürstet nicht nur meine Zähne, sondern auch den Staubsaugroboter. Und zwar gleichzeitig – übers Internet. Mit mehr als 27 000 Vibrationen pro Minute, was den alten Sack so auf Touren bringt, dass sein Motor regelmässig Feuer fängt.

Lange habe ich nichts davon gemerkt, denn meine Bürste ist smart: Display, Bluetooth, automatische Software­updates. Aufgeflogen ist die Ménage à trois nur, weil die Bürste auch den Kühlschrank anmachte. Aber der ist von Natur aus frigid – und petzte. «Die Bürste ist ein Flittchen», simste er auf meinen interaktiven Badezimmerspiegel.

Danach putzte ich die Zähne drei Tage lang analog, was die Zahnbürste so erzürnte, dass sie sich ins Food-Management-System meiner Wohnung einklinkte und 50 Becher Kokosnussjoghurt bestellte, die kurz darauf von der Transportdrohne der lokalen Molkerei angeliefert wurden – sauber eingewiesen vom Navi im smarten Vogelfutterhäuschen.

Wenn es etwas gibt, das ich hasse, dann ist es Kokosnuss­joghurt. Was meine Zahnbürste natürlich weiss. Denn mein vernetztes Smarthome kennt mich besser, als ich mich selbst. Sensoren auf Schritt und Tritt. Und der Mixer ist mein Therapeut.

Sauer beförderte ich die Joghurts in den Mülleimer. Aber keine halbe Stunde später flog die Drohne Nachschub herbei. So ging das drei Tage lang. Bis ich realisierte, dass mein Abfallkübel alles scannt, was er schluckt – und automatisch nachbestellt. Und das liess er sich nicht ausreden. Auch mit dem Vorschlaghammer nicht. Dafür erhielt ich nun täglich eine Meldung von der Molkerei auf meine Smartwatch gebeamt: «Kunden, die unser leckeres Kokosnussjoghurt mögen, haben auch Spass am Ingwer-Grüntee-Lassi.» Böark!

Überhaupt ist so ein Smarthome irgendwie unheimlich. Meine Kaffeemaschine brüht mir den perfekten Espresso auf, bevor ich überhaupt merke, dass ich Lust darauf habe. Aber nach der dritten Tasse spuckt sie nur noch lauwarmen Kamillentee aus, weil sie zusammen mit der Waage, dem Klo und den Laufschuhen meine biomedizinischen Daten analysiert und nach Rücksprache mit meiner Krankenkasse beschliesst, das Kamillentee besser für mich wäre. Richtig Angst macht mir der Toaster. Der spricht seit einigen Tagen mit russischem Akzent und befiehlt mir, meine Kreditkarte in den Schlitz zu stecken und den Pin-Code ins Abflussrohr zu flüstern.

Also wandte ich mich an Lisa. Lisa ist die virtuelle Assistentin in meiner Smartflat. Sie hat alle Fäden in der Hand – drahtlos. «Lisa, wieso komme ich mit meiner Hightech-Wohnung nicht klar?» Darauf sie: «Ein smartes Heim ist eben nur so gut, wie der dümmste Prozessor in seinem Netzwerk.»

Ich glaube, damit hat sie mich gemeint.

Der Duden ist Dadaist

Wie tönt eigentlich die deutsche Rechtschreibung? Es gibt nur einen Weg,
um das herauszufinden – den Duden laut vorzulesen, Seite für Seite,
Wort für Wort, von A bis Z. Gaga? Nein, Dada.