Augen auf bei der Berufswahl

Neulich auf einer Berufsmesse. Zuhinterst in der Halle haben auch die islamistischen Terroristen ihr Info-Camp aufgebaut, gleich neben dem Stand für Lehrstellen im Telefonmarketing. Schön thematisch geordnet, die Schau. Dann fällt mein Blick auf ein Plakat: «Mach was mit Menschen – werde Selbstmordattentäter». Ungläubig bleibe ich stehen. «Ungläubiger, was guckst du?», spricht mich ein bärtiger Mann hinter dem Koran-Tisch an. «Schalom», sage ich, «was beim Hipster-Barte des Propheten macht ihr denn auf einer Berufsmesse?» «Uns stirbt der Nachwuchs weg», sagt der Bärtige. «Dieser Job kann einen aber auch wirklich kaputt machen, wenn man sich voll reinhängt», sage ich voller Verständnis.

«Dafür dauert die Lehre nur drei Tage», sagt der Bärtige. Interessiert bleiben die ersten Schulversager stehen, um uns zuzuhören. «Drei Tage», sage ich. «Verstehe, bei euch muss alles schnell gehen. Ihr zieht ja auch in den eiligen Krieg.» Das findet er nicht lustig. Dafür beginnen die Jugendlichen, uns mit ihren Handys zu filmen.

«Mal im Ernst», fahre ich fort. «Ihr trefft viele Leute, reisst Menschen mit für eure Sache, kriegt viel mediale Aufmerksamkeit. Aber die Aufstiegsmöglichkeiten sind doch eher begrenzt.» «Im Gegenteil», strahlt der Bärtige. «Als Märtyrer steigst du direkt ins Paradies auf, wo 72 Jungfrauen auf dich warten.» Ein paar Jungs im wachsenden Publikum bekommen einen entrückten Blick.

«Aber die jungen Frauen von heute», entgegne ich, «die sind in der Regel viel besser ausgebildet als die Jungs. Wenn so ein Knallkopf ins Paradies platzt, sagen die: ‚Nume nid gsprängt. (Keine Ahnung, wieso Jungfrauen im Paradies Berndeutsch sprechen. Ist aber so.) Hast du denn nichts Anständiges gelernt? Mit so einem Hassan Fliegt-in-die-Luft wie dir hüpfe ich sicher nicht ins Himmelbett.’ Dann hast du in deinem Leben nur einmal gebumst. Und zwar dich selber – in die Luft.» Ich blicke streng in die Runde. «Darum Augen auf bei der Berufswahl.» Ein pickliger Junge legt verschämt den Koran zurück, den er vom Tisch genommen hat.

«Übrigens, was sind eigentlich Ihre Qualifikationen?», frage ich den Bärtigen. «Ich meine, wie ein erfolgreicher Selbstmordattentäter sehen Sie ja nicht gerade aus. Sonst wären Sie ja wohl nicht hier. Und ist das überhaupt ein Sprengstoffgürtel, den Sie da unter Ihrem Morgenmantel tragen. Oder sind das Speckröllchen?»

«Du Hund», beschimpft mich der Bärtige.

«Verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe nichts gegen Theoretiker», sage ich, «ich bin selbst Akademiker. Aber bei der Berufsbildung setzen wir in der Schweiz auf das duale System: Auf Theorie und Praxis. Da könnten Sie doch mal ihren Lehrlingen als gutes Beispiel vorangehen. Das gäbe gleich ne Bombenstimmung in der Berufsschule.»

«Die duale Berufsbildung ist der Knaller», pflichtet mir eine Stimme aus dem Publikum bei. Ich drehe mich um. Es ist Bildungsminister Johann Schneider-Ammann, der auf seinem Rundgang durch die Berufsmesse auf die grosse Menge Jugendlicher aufmerksam geworden ist, die uns umringen.

Der Bärtige kriegt einen hochroten Kopf, krass geladen ist der. «Chill mal, Alter», ruft ihm eine Jugendliche zu. Aber statt «Chill» versteht er «Kill». «Sterbt, ihr Ungläubigen», schreit der Terrorismus-Theoretiker und will seinen Bombengürtel zünden. Aber bevor er das Knöpfchen drücken kann, wirft er sich schmerzverzerrt auf den Boden und hält sich den Arm. «Au, au, au, ich hab den Krampf im Arm», jammert er.

«So sieht also der Krampf gegen den Terror aus», sagt Johann Schneider-Ammann auf seine gewohnt trockene Art, was die Menge mit Johlen und frenetischem Applaus quittiert. Der Bundesrat, der in seiner ganzen Karriere nie derart viel Begeisterung für eine verbale Äusserung geerntet hat, kriegt einen seligen Blick, als hätte er das Paradies geschaut mit 72 dual berufsgebildeten Berner Jungfrauen.

Dem Bärtigen am Boden aber platzt jetzt endgültig der Kragen, er geht in die Luft und explodiert förmlich. Zum Glück nur metaphorisch. Zwar hat er inzwischen das rote Knöpfchen gedrückt, aber sein Sprengstoffgürtel ist nur eine Attrappe. Suva-Vorschrift. Sicherheit am Arbeitsplatz und so.

Und während die Bodyguards des Bundesrates dem Bärtigen Handschellen anlegen, schreite ich hinüber zum Telefonmarketing-Stand, wo mich drei Call-Center-Lernende leicht terrorisiert anstarren. «Salam aleikum», sage ich, «was in Teufels Namen macht ihr denn hier auf der Berufsmesse?»