«Übrigens» in den «Freiburger Nachrichten» vom 2. September 2025
Ständig muss man alles bewerten. Neulich kaufte ich in einem Onlineshop ein. Kaum war die Ware da, bekam ich auch schon eine E-Mail. «38‘885 Besucher warten auf deine Bewertung.» 38‘885 Besucher! Ich spürte einen immensen Druck und war gleich verstopft, also mental. Was ich bestellt hatte? Eine WC-Brille. Als gestandener Sitzpinkler möchte ich nicht ohne. Weshalb mir sofort klar war: In ihrer Not durft‘ ich die 38‘885 Wartenden nicht im Stich lassen. Bloss, wie bewertet man eine WC-Brille? Passt auf Schüssel wie Arsch auf Eimer, ist ja wohl nicht sehr hilfreich.
Während sich mein Magen verkrampfte, blähten sich meine Gehirnwindungen. Wieso heisst es überhaupt WC-Brille? Logisch, dass eine Schüssel, pardon my French, scheisswichtig ist. Aber weitsichtig? Oder wieso braucht sie eine Sehhilfe? Und wieso nennen wir das Ding überhaupt WC-Brille? Es besteht doch nur aus einem einzigen Ring, durch den man durchblicken kann. Und Brillenglas hats auch keines drin. Zum Glück. Sonst würde beim «Blick zurück» auch «ein Griff zum Besen» nichts mehr ausrichten können. Kurz, der Name ist eine sprachliche Flatulenz. Wenn schon, müsste es Klomonokel heissen, rumorte es «tutsuit» in mir. Während die Bewertung partout nicht rausflutschen wollte.
Immerhin warteten inzwischen nur noch 38‘884 darauf. P. Bidé aus Stühlingen hatte inzwischen, das verriet mir der Liveticker auf der Händlerwebsite, den Toilettensitz «Borkum» mit Absenkautomatik gekauft. Eines von – ohne Sch… – über 2000 Modellen, die der Onlinehändler feil bot. Wozu, im dreilagig feuchten Namen von Hakle, müssen wir aus über 2000 WC-Brillen aussuchen können? Ist das die Freiheit, für die Tell anno 1291 Gessler vom Klosomaten schoss?
Ich bin sonst nicht so, aber bei WC-Brillen befürworte ich eine sozialistische Planwirtschaft: Eine helvetische Einheitsklobrille, Modell «Hohle Gasse», gefertigt in der staatlichen Klomonokelfabrik in Ober-Hüslikon bei Kloten. In den immerwährenden Saisonfarben Neutralweiss, Bundesordner und Café Complet. Was für ein Segen. Statt Stunden zu verbringen mit dem Auswählen und Bewerten von WC-Brillen, endlich Zeit für die wirklich wichtigen Geschäfte.
Das schrieb ich dann auch genauso in meine Bewertung. Auf die inzwischen nur noch 38’883 Besucher warteten (L.A. aus Trin entspannte sich inzwischen auf dem WC-Sitz «Relax»). Und dazu noch: «Angenehm hart im Ansitz, mit langem Abgang, einfach wiederverschliessbar. Fünf Sterne.»
Das Überraschende? User «klosomat1291» fand meine Bewertung hilfreich.
Was mich irgendwie ungemein erleichterte.
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