«Übrigens» in den «Freiburger Nachrichten» vom 3. Juni 2025
Ist das jetzt die Midlife-Krise? Muss wohl. Anders kann ich mir nicht erklären, wieso ich mir aus einer Laune heraus im Internet eine gebrauchte – nein, keine Harley Davidson, so gut sollten Sie mich inzwischen kennen –, eine gebrauchte Modelleisenbahn gekauft habe. Für die Kenner unter Ihnen (also die Werners, Bernhards und Ottos ums Pensionsalter rum): Märklin, Spur HO, analog, M-Geleise, also richtig old school.
Ich weiss, was Sie jetzt vielleicht denken (ausser die Werners, Bernhards und Ottos). Modelleisenbahn? Das ist doch ein Hobby für Chnuschtis, die mit der Komplexität der modernen Welt nicht zurechtkommen und sich daher im Hobbykeller eine überschaubare Welt im Massstab 1:87 erschaffen, in der sie gottgleich schalten und walten können. Na und? Gerade deshalb würde ich dieses Hobby gewissen Männern ans Herz legen.
Stellen Sie sich vor, Donald Trump würde seine Pippi Langstrumpf’schen Allmachtsphantasien («Ich mach‘ mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt») nicht im ovalen Büro in Washington ausleben, sondern im Modelleisenbahnkeller seines Golfhotels. Die einzigen Menschen, die dabei zu Schaden kämen, wären daumennagelgrosse Plastikfigürchen. Die Welt wäre ein besserer Ort. Und um eine Touristenattraktion reicher – «the biggest, best and most beautiful modelleisenbahnanlage». Drunter würde es Trump nicht machen. Wäre das ein passendes Geschenk, wenn Sie mal ins Weisse Haus geladen werden, liebe Karin Keller-Sutter? Kein Jumbo, sondern eine Eisenbahn für den Autokraten.
Aber ich schweife ab. Anders als mein Märklin-Zug. Der bleibt schön in der Spur, auch wenn ich ihn mit Karacho über die Weichen jage. Höchstens ein paar Funken schlägt er dann. Was meinem doch eher biederen neuen Hobby einen willkommenen Ruch von Gefährlichkeit verleiht.
Während meine Gotthard-Lok Ae 6/6 mit ihren Güterwaggons unbeirrt ihre Runden dreht, tschägeräng, tschägeräng, tschägerang, lasse ich meine Gedanken kreisen. Dazu lädt die Eisenbahn als Metapher fürs Leben geradezu ein. Bin ich noch im Takt unterwegs? Oder in Routinen festgefahren? Welche Züge habe ich verpasst, und welche haben einfach Verspätung? Muss ich die Weichen neu stellen, um nicht auf dem Abstellgleis zu landen? Brauche ich vielleicht doch eine Harley Davidson? Fragen, die man sich in der Lebensmitte halt so stellt.
Wenn sich meine Gedanken dabei festfahren, drehe ich den Märklin-Trafo auf, bis die Funken sprühen.
Midlife-Krise? Der nächste Fahrplanwechsel kommt bestimmt. Mal schauen, was er bringt.